Es ist die berühmte Blackbox, die man aus Flugzeugen kennt. Alle Daten zum Flugzeug werden permanent erfasst, jede Entscheidung des Captains, jede Bewegung des Flugzeuges wird in jedem Sekundenbruchteil gespeichert, dokumentiert und kann im Falle eines Unfalls ausgewertet werden.
Und jetzt wird die Blackbox auch in neu zugelassenen Fahrzeugen ab Juli verpflichtend, so lautet die EU-Regel. Platziert wird die Blackbox (offiziell genannt Event-Data-Recorder/EDR) beim Airbag-Steuergerät, weil hier alle Daten, die zum Auslösen eines Airbags bei einem Unfall entscheidend sind, zusammengeführt werden.
Welche Daten aufgezeichnet werden
Die permanent aufgenommen Daten werden nur im Falle eines Unfalls gespeichert, und zwar bis Sekunden vor Millisekunden nach einem Unfall. Und die Blackbox erzählt jedes Detail, das einen Unfall besser erklären oder überhaupt aufklären könnte: Lenkwinkel, Speed, Motordrehzahl, es lassen sich sogar relevante Fahrzeugbewegungen (etwa wenn man nicht auf seiner Spur gefahren ist) auslesen und herausfiltern.
Diese gespeicherten Daten können im Falle eines Unfalls über eine Schnittstelle oder am Airbag-Steuergerät ausgelesen werden. Richter oder Staatsanwalt können das etwa über Sachverständige beauftragen, auch Unfallbeteiligte dürfen das einfordern. Darüber müsse aber laut ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer der jeweilige Richter entscheiden.
Komplexe rechtliche Auseinandersetzung
Die rechtliche Auseinandersetzung bei einem Unfall wird dadurch nicht minder komplex. „In der Rechtsfindung ist es ein zweischneidiges Schwert“, so Hoffer. „Der Rechtsgegner hätte einen Anspruch, aber auch die Selbstbelastung ist im Falle des Falles möglich. Aber: Die Blackbox wird mir nicht immer schaden, dieser sogenannte Event-Data-Recorder erfindet ja nichts, er dient lediglich zur Objektivierung eines Vorfalls. Manchmal irren auch Verkehrssachverständige, das kann mit dieser Blackbox vermieden werden. Worauf ich hinaus möchte: Ja, es mag schon sein, dass mich die Daten belasten. Aber die Technik dient der Wahrheitsfindung, etwa bei unklaren Zeugenaussagen. Ich glaube nicht, dass das über die Vorgaben und Grenzen der Datenschutzgrundverordnung hinausgeht.“
Es sei heute sogar so: Dashcams, die Videos vom Verkehrsgeschehen drehen, seien zwar als Datensatz unzulässig. Aber bei ernsthafteren Vorfällen kann es heute schon vorkommen, dass ein Richter erklärt, die Aufzeichnungen zu verwenden, weil der Nutzen größer als der Schaden sei.
Unfallrate sinkt nicht
Eine Annahme sei aber bereits heute, vor Inkrafttreten der E-Regel, widerlegt. Nämlich, dass es in Zukunft mit einer Blackbox in Autos weniger Unfälle geben werde, weil es Lenkerinnen und Lenkern bewusst sei, dass sie vom eigenen Auto überwacht werden. Polizeiautos zum Beispiel seien schon vor Jahren mit Event-Data-Recordern ausgestattet worden. Die Unfallrate sei trotzdem nicht zurückgegangen. Es sei lediglich zu erwarten, dass die Unfallaufklärung objektiver stattfinde, so der Experte.
Der stumme Beifahrer Blackbox sei letztlich im Verkehrsgeschehen unbestechlich, und er müsse sich nicht über An- und Zugehörigkeiten den Kopf zerbrechen. Auch das Phänomen, dass bei Unfällen die Schuld immer nur bei den anderen liege, sei so schnell zu lösen. „Es kann passieren, dass diese Daten zu meinem Nachteil ausgelegt werden. Wie weit kann ich gezwungen werden, Daten vorzulegen, die mich belasten?“, fragt Hoffer, um die Antwort gleich selbst zu geben: Es sei mit diesen Event-Data-Recordern offensichtlich, dass dies möglich sei.
Große Bandbreite an Konsequenzen
Und sogar in einem weiteren Rahmen, als sich viele vorstellen können. Etwa, wenn man zum Beispiel bei einem Unfall mit einem Radfahrer zweifelsfrei überzeugt war, geblinkt zu haben. Und dass der Radfahrer das gesehen haben müsse. Wenn die Blackbox aber aufzeigt, dass das Blinker-Lamperl kaputt war und der Radfahrer das Blinker-Zeichen deshalb nicht gesehen hat, haften Lenkerinnen oder Lenker genauso.
„Die Bandbreite möglicher Konsequenzen ist groß: Es geht um den technischen Zustand des Fahrzeuges und eine daraus resultierende Gefährdung genauso wie man die Fahrlinie anhand der Daten nachkonstruieren kann, oder sogar, dass eine Haltelinie nicht respektiert wurde.“ Selbst bei äußerst komplexen Unfällen – etwa, wenn ein Passant zwischen zwei Fahrzeugen auf die Straße läuft und von einem Auto erfasst wird – kommt man jetzt einer Objektivierung des Falles näher. Aber möglicherweise auch zum Nachteil der Fahrerin und des Fahrers. Richter könnten auf die Daten pochen, weil diese einem höheren Interesse der Wahrheitsfindung dienen, auch, wenn sich Fahrerinnen/Fahrer selbst damit belasten.