In den kommenden Jahren will das Land Kärnten in Sachen Energiewende kräftig aufs Tempo drücken. Das wurde auch im Regierungsprogramm der Koalitionspartner SPÖ und ÖVP festgeschrieben. Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber (ÖVP) betont: „Die Energieunabhängigkeit ist ein Standortfaktor. Es ist höchst an der Zeit, dass sich etwas verändert.“ Am Montag präsentierte er gemeinsam mit Energie- und Wirtschaftsreferent Sebastian Schuschnig (ÖVP) und SPÖ-Energiesprecher Christof Seymann die neue Verordnung für Photovoltaikanlagen und das sogenannte Energiewende-Gesetz.

„Für zahlreiche Photovoltaikanlagen werden keine Widmungen mehr erforderlich sein“, betont Gruber. PV-Anlagen auf sämtlichen baulichen Anlagen wie Carports und Zäune sind widmungsfrei. PV-Anlagen in der Freifläche wie dem eigenen Vorgarten benötigen bis 100 Quadratmetern kein Verfahren mehr. Bisher lag die Grenze bei 40 Quadratmeter. Gelockert werden auch die Bestimmungen für Unternehmen. So dürfen auf Industrie- und Gewerbegelände, in Schottergruben, bei Eisenbahnflächen und auf Parkflächen ohne Verfahren Anlagen errichtet werden, wenn sie den Eigenbedarf decken. Das Potenzial für Bereiche, die für PV genutzt werden können, steigt dadurch auf 3000 Hektar.

Aktuell werden 188 Hektar in Kärnten für PV genutzt. „An diesen Zahlen sieht man, welche Dynamik die Verordnung bringt“, betont Gruber. Deutliche Erleichterungen wird es auch für Agri-PV geben. „Möglich sind Flächen, die Hühnern als Auslauf dienen oder die für den Intensiv-Obstanbau genutzt werden“, nennt Gruber Beispiele. Grünland-PV-Anlagen erfordern eine Widmung, dürfen vier Hektar nicht überschreiten und sollen vorrangig im räumlichen Nahbereich von Infrastrukturanlagen wie Wasserversorgung, Fernwärmeerzeugung und Umspannwerken errichtet werden. Kostbare Agrarfläche wird geschützt. Gute, landwirtschaftliche Böden wie im Lavanttal, am Zollfeld und am Krappfeld, die ein wesentlicher Faktor in der Lebensmittelversorgung sind, bleiben dieser vorbehalten. Sie werden unter anderem auch durch einen Vermerk im Kagis vor einer PV-Nutzung geschützt.

„Straffe Verfahren“

Als Energiewende-Gesetz bezeichnet die Politik eine Sammelnovelle, die sicherstellen soll, dass Genehmigungsverfahren schneller und einfacher werden. Bisher gab es immer wieder Probleme, weil Bauordnung-, Raumordnungs-, Elektrizitätsgesetz
und Elektrizitätswirtschaftsgesetz jeweils eigene Verfahren vorsahen. „Das wird nun harmonisiert. Verfahren werden vereinfacht und gestrafft“, betont Schuschnig. Jedes zweite Verfahren werde entfallen. Alle Erneuerbaren-Anlagen werden nach dem Baurecht nur mehr anzeigepflichtig sein. Der Schwellenwert für die Bewilligungspflicht im Elektrizitätsrecht wird von fünf Kilowatt auf 500 Kilowatt angehoben. Dies sei ein erster Schritt, als Nächstes werde man die Windkraft in Angriff nehmen. Der Netzausbau werde ebenfalls vorangetrieben.

Seymann betont, dass durch die neuen gesetzlichen Vorgaben sensible Gebiete gut geschützt werden. In Gefahrenzonen dürften ohnehin keine Anlagen errichtet werden, Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete, Nationalparks und auch Wildkorridore sind ebenfalls Tabu. Sowohl die neue PV-Verordnung als auch die Sammelnovelle sind in der Koalition von SPÖ und ÖVP abgestimmt. Laut Gruber gehen beide nun in die Begutachtung und könnten im Sommer in Kraft treten.

Lob von der Opposition

Begrüßt wird die neue PV-Verordnung und das Energiewende-Gesetz von der Opposition. Kärntens FPÖ-Chef Erwin Angerer erklärt in einer Aussendung: „Alles, was dazu dient, die Verwaltung in Kärnten unbürokratischer zu gestalten, ist natürlich begrüßenswert. Im Hinblick auf die Errichtung von PV-Anlagen wäre es natürlich für jeden Privaten ein Gewinn, wenn es tatsächlich zu den angekündigten Genehmigungsfreistellungen kommt. Es stimmt mich auch vorsichtig optimistisch, dass zuerst bereits versiegelte Flächen herangezogen werden sollen, um Photovoltaik-Anlagen zu errichten.“ Er bleibe jedoch bei seinem Nein zu Windkraftanlagen und fordere ein Vorantreiben des Netzausbaus. Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer begrüßt das Energiewende-Gesetz und die neue PV-Verordnung ebenfalls und sieht damit viele Forderungen des Team Kärnten als erfüllt an: „Wir haben bereits in den vergangenen Jahren gebetsmühlenartig auf raschere Verfahren und weniger Bürokratie in diesen Bereichen gedrängt. Kärnten hat insbesondere beim Photovoltaik-Ausbau vieles verschlafen sowie verhindert und viele Potenziale ungenützt gelassen.“

Gutes Zeugnis von der Wirtschaft

Die Industriellenvereinigung Kärnten begrüßt die geplanten gesetzlichen Vereinfachungen ebenfalls. In einer Presseaussendung heißt es wörtlich: „Besonders positiv bewertet die Industriellenvereinigung grundsätzlich die im vorliegenden Entwurf zum Energiewende-Gesetz vorgesehene Verankerung des übergeordneten öffentlichen Interesses gegenüber der Erhaltung des Landschaftsbildes. Das ist ein Paradigmenwechsel zur bisherigen Praxis.“ Von einem „Sprung nach vorne“ spricht Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Mandl. Die zu erwartenden Steigerungen bei der Produktion von Strom aus der Sonne würde die Erreichung der Ziele des „European Green Deal“ bis 2050 spürbar erleichtern. Doch auch Ausbau der Wasserkraft, die Modernisierung der Kleinwasserkraft, Windkraft und die Stärkung anderer thermischer Energieformen wie Solarthermie oder Geothermie, müsse man forcieren.