Gewohnheiten haben in unserem Leben große Berechtigung. Wären sie nicht allgegenwärtig, das menschliche Gehirn wäre in dieser komplexen Welt vermutlich dauerhaft überfordert. Zugleich ist es besonders schwierig, Gewohnheiten abzuändern.
Das spüren zurzeit auch der Handel und neue, ihm sympathische, Bezahlkonzepte. „Self-Check-Out-Terminals“, also Stände, bei denen man Waren selbst scannt und dann vor Ort bezahlt, sind mittlerweile zwar auch in Österreich – etwa im Lebensmittelhandel – geläufig, als besonders beliebt gelten sie nicht.
„Noch nicht“, möchten an dieser Stelle vielleicht einige einwerfen. „Werden sie auch nie werden“, könnten andere entgegnen. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass sich im Handel ohnehin bald ein anderes Konzept durchsetzen könnte: „Just Walk Out Shopping’’.
0,4 Millimeter mal 0,4 Millimeter
Bei dieser Variante, von einem „revolutionären Einkaufsprinzip“ spricht man in der Branche zurzeit gerne, verzichten Händler völlig auf den Einsatz von physischen Kassensystemen. Auch das offensichtliche Scannen von Artikeln fällt weg. Marktzugang und Abrechnung laufen über eine App, die Kundschaft verlässt die Filiale, ohne bei einer Kassa anzustehen. Preschte Amazon mit dem kassenlosen Zahlen vor – schon 2018 testete der Versandhandels-Riese einen derartigen Shop in Seattle –, ziehen nun immer mehr Unternehmen nach.
Viele davon kann der Halbleiterspezialist NXP explizit als Kunden nennen, darunter Handelsgrößen wie H&M, Zara, Walmart oder der Sportdiskonter Decathlon. Möglich macht das Technologie, die federführend am NXP-Standort im steirischen Gratkorn entwickelt wird.
Gerade einmal 0,4 Millimeter mal 0,4 Millimeter groß ist der Mikrochip, der zum Großteil aus Silizium besteht und auf Kontakte aus Gold vertraut. „In etwa so groß, wie der Punkt, den man mit einem Kugelschreiber auf ein Blatt Papier malt“, versucht Ralf Kodritsch die Dimension zu veranschaulichen.
Bei NXP verantwortet der Manager den Bereich RFID, ein Segment, das sich um Lokalisierung und kontaktlose Identifizierung von Objekten per Radiowellen dreht. Technologie, die sich auf den klitzekleinen Chips auf den Etiketten von Schuhen oder T-Shirts wiederfindet und entscheidend für die kassenlose Erfassung sind. Gratkorn gilt diesbezüglich im global aufgestellten NXP-Konzern als „Nervenzentrum“. Das Chipdesign kommt ebenso aus der Steiermark wie der größte Teil von Forschung und Entwicklung.
Die Anwendungsgebiete der RFID-Chips würde indes weit über einzelne Handelsfilialen hinaus reichen, sagt Kodritsch. Es gehe um die „Digitalisierung der Lieferkette. Man will wissen, wo sich der Artikel in welcher Größe befindet“. RFID mache es möglich, „bis zu 1000 Artikel in einer Sekunde zu scannen“, schildert der Manager. Auf eine Entfernung von bis zu zehn Metern. Das wiederum könne für „immense Automatisierung“ sorgen, etwa bei einer zeitlich engmaschigen Inventur. Nicht zuletzt, weil für das Auslesen keine Sichtverbindung notwendig ist.
45 Milliarden dieser batterielosen Chips, sie verwenden die Energie vom Lesegerät, wurden 2023 weltweit ausgeliefert. Geht es nach Ralf Kodritsch, werden es bald „mehrere hundert Milliarden pro Jahr“ sein. Die dann freilich nicht nur im Einzelhandel, sondern auch in der Pharmaindustrie oder im Automotive-Sektor eingesetzt werden könnten.