Die Zeiten der Nullinflation und der schier endlosen Geldschwemme im Finanzsystem der Euro-Zone sind inzwischen Geschichte. Daher sieht sich die Europäische Zentralbank (EZB) zum Handeln genötigt. Um ihren Werkzeugkasten, mit dem sie ihren Kurs justiert und Geschäftsbanken mit Geld versorgt, für die Zukunft wetterfest zu machen, richtete sie wichtige Stellschrauben neu aus, wie sie am Mittwoch in Frankfurt mitteilte.

„Das Rahmenwerk wird sicherstellen, dass in der Zukunft die Umsetzung unserer Geldpolitik wirksam, robust, flexibel und effizient bleibt, wenn sich unsere Bilanz normalisiert,“ erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Die EZB hatte die Überprüfung Ende 2022 angekündigt, als klar wurde, dass ihre Bilanz, die durch die jahrelange ultralockere Geldpolitik auf mehrere Billionen Euro angeschwollen war, künftig langsam schrumpfen wird.

Überschüssige Gelder parken

Auch in dem überarbeiteten Werkzeugkasten soll künftig der Einlagensatz, der aktuell bei 4 Prozent liegt und den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, die zentrale Rolle bei der geldpolitischen Steuerung der Marktzinsen spielen, wie die EZB erklärte. Dieser Zins hatte in den Jahren der ultralockeren Geldpolitik den Hauptrefinanzierungssatz, der gegenwärtig bei 4,5 Prozent liegt, als Leitzins für die Finanzmärkte abgelöst.

Der Hauptrefinanzierungssatz für die wöchentlichen Kreditgeschäfte soll aber künftig wieder eine wichtigere Rolle bei der Versorgung der Banken mit Liquidität spielen. Zuletzt waren diese wöchentlichen Kreditgeschäfte von Finanzinstituten nur wenig genutzt worden, da das Bankensystem immer noch mit einer hohen Überschussliquidität ausgestattet ist. Doch diese dürfte in den kommenden Jahren abnehmen. Es ist daher zu erwarten, das die Finanzinstitute dieses Fenster zur Geldversorgung wieder stärker nutzen werden.

Neuer geldpolitischer Steuerungsrahmen

„Der Einlagensatz spielt weiterhin die zentrale Rolle, was darauf schließen lässt, dass die Bilanzsumme im Vergleich zu Anfang der 2000er Jahre hoch bleiben wird“, kommentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank die Beschlüsse. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer äußerte sich skeptisch. Der neue geldpolitische Steuerungsrahmen wolle die Überschussliquidität reduzieren, merkte er an. „Aber grundsätzlich hält die EZB am System hoher Überschussliquidität fest und wird auf Dauer viele Anleihen halten.“ Aus seiner Sicht hätte die EZB fünfzehn Jahre nach dem Ende der Finanzkrise mehr Normalität wagen können.

Die EZB plant zudem, den Hauptrefinanzierungssatz leicht abzusenken, um die Differenz zum Einlagensatz von aktuell 0,50 Prozentpunkten auf künftig 0,15 Prozentpunkte zu verringern. Mit der engeren Differenz sollen Anreize für Geschäftsbanken zur Teilnahme an den wöchentlichen Kreditgeschäften geschaffen werden. Die Änderungen sollen am 18. September wirksam werden. Der Spitzenrefinanzierungssatz für Über-Nacht-Kredite, der aktuell bei 4,75 Prozent liegt, soll ebenfalls angepasst werden, so dass die Zinsdifferenz zum Hauptrefinanzierungssatz künftig weiterhin 0,25 Prozentpunkte beträgt. Die Mindestreserveanforderungen für die Banken sollen hingegen unverändert bleiben.

Neue längerfristige Kreditsalven

Die Euro-Wächter kündigten zudem an, zu einem späteren Zeitpunkt ein neues strukturelles Anleihenportfolio einzurichten. Auch soll es ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt neue längerfristige Kreditsalven für Geschäftsbanken geben. Diese Instrumente sollen einen erheblichen Beitrag dazu leisten, um den strukturellen Liquiditätsbedarf des Bankensektors abzudecken, erklärte die EZB. Nähere Einzelheiten dazu teilte sie zunächst nicht mit. Die Euro-Notenbank will die zentralen Eckpunkte ihres neuen Werkzeugkastens 2026 überprüfen. Auch ist eine eingehende Analyse zur Ausgestaltung der geplanten neuen längerfristigen Kreditsalven und des neuen strukturellen Anleihenportfolios geplant.