Mit Emotionalität hält sich Meinrad Spenger an diesem Nachmittag nur kurz auf. „Ich bin schon sehr glücklich“, sagt der 48-Jährige, bevor er analytischer wird. „Es ist auch sinnvoll. Die Branche hat in Europa einen riesigen Nachholbedarf an Investitionen. Wir haben Jahre verloren. Es braucht jetzt große, solide Unternehmen“.
Anlassfall für den zweigeteilten Befund ist eine gigantische Fusion am spanischen Telekommunikationsmarkt. Fast zwei Jahre nach der Unterzeichnung einer ersten Vereinbarung gab die EU-Kommission am 20. Februar ihre Zustimmung zur Verschmelzung von Orange und MásMóvil. Jenem Unternehmen, das Meinrad Spenger, gebürtiger Obersteirer, 2006 gegründet hatte.
Bevor das neue Unternehmen wohl mit 1. April an den Start gehen wird, muss der Ministerrat das Vorhaben noch absegnen. „Eigentlich ein Formalakt“, sagt Meinrad Spenger am Rande des Mobile World Congress in Barcelona zur Kleinen Zeitung. Auf der weltgrößten Mobilfunkmesse ist der Mann, den die meisten in der Branche nur „Meini“ nennen, begehrt – dieser Tage mehr als ohnehin. Am Abend treffe er noch Minister, deswegen hätte er den feinen Zwirn aufgelegt, scherzt er. Lieber kleide er sich legerer.
7,3 Millionen Festnetzkunden, 30 Millionen Mobilfunkkunden und 2,2 Millionen Fernsehkunden werden künftig bedient, mit einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent wird das neue Unternehmen deutlicher Marktführer in Spanien sein. Knapp 9000 Mitarbeiter werden für einen geschätzten Umsatz von mehr als 7,4 Milliarden sorgen. Zahlen, die in Brüssel für Unwohlsein sorgten. Erst langsam wurden über die letzten Monate Wettbewerbsbedenken ausgeräumt. Auch, weil Auflagen für den neuen Marktführer beschlossen worden. Dieser muss unter anderem Digi, dem größten virtuellen Mobilfunker (MVNO) im Land, Frequenzpakete zugestehen.
Am Namen und Markenauftritt des neuen Riesen werde noch gearbeitet, aber MásMóvil sei darin „vorhanden“, lächelt Spenger. Auch wenn er lieber über „mein Team“ spricht ist die Nominierung des Steirers zum alleinigen CEO des neuen Konzerns – Ludovic Pech, Chef von Orange in Spanien, soll Finanzvorstand werden – freilich ein Ritterschlag. Und mit Sicherheit Höhepunkt einer steilen Karriere.
Seckauer Mobilfunkpioniere
Meinrad Spenger wird 1975 in Knittelfeld geboren, wächst in Seckau auf, absolviert dort das Stiftsgymansium, entwickelt eine Leidenschaft für die Tischlerei und beginnt später ein Jusstudium in Graz. Nach einem MBA-Programm in Madrid arbeitet Spenger fünf Jahre als Berater bei McKinsey in Österreich, bevor er 2006 in Spanien schließlich MásMóvil gründet.
„Spanien war der teuerste Mobilfunkmarkt Europas und hatte zugleich die unzufriedensten Kunden“, erinnert sich Spenger an den Beginn der unternehmerischen Reise. Anleihe und Inspiration findet der junge Manager damals übrigens in Österreich, wo die Diskontmarke Yesss erste Erfolge einfährt. An der Spitze des Diskonters? Josef Mayer, ebenfalls Seckauer.
Die spanische Regulierungsbehörde öffnet zu dieser Zeit den Markt, es herrscht Aufbruchsstimmung, über 100 Unternehmen wollen Fuß fassen. Dann zieht raues Wetter auf, die Platzhirschen sperren sich zunächst. „Wir haben zwei Jahre lang Powerpoint gemacht, weil wir ohne Netz kein Service anbieten konnten“, erzählte Spenger in einem früheren Interview mit der Kleinen Zeitung. Es folgt eine Saure-Gurken-Zeit für den Seckauer und seinen Mitgründer. Sie teilen sich die Wohnung, kochen häufig Pasta und Pesto, bitten die Eltern um einen Kredit.
Zwei Jahre später schafft es MásMóvil auf den Markt, ein Großteil der anderen Bewerber hat da bereits aufgegeben. Spenger setzt auf eine schlanke Organisation und günstige Preise. Ab 2016 nimmt die rasante Wachstumsgeschichte noch einmal an Fahrt auf. MásMóvil kauft einen Mobilfunker mit eigenem Netz, der Schritt an die Börse macht kurz darauf Kapital für die weitere Expansion frei. Im Duell mit den Giganten Vodafone, Orange oder Telefónica blicken immer mehr Augen auf das einstige Start-up, das mit Zukäufen, einer klugen Mehrmarkenstrategie und dem gemischten Netz punktet.
Die Aufmerksamkeit nimmt zu, erste Lorbeeren für das Management werden verteilt. 2018 wählt das Wirtschaftsmagazin Emprendedores Meinrad Spenger auch wegen der Zuschreibung als „Europas schnellstwachsende Telekom“ zum „besten Unternehmer des Jahres“. Die Verschmelzung mit Orange bringt Spenger als Führungskraft in eine neue Liga. Und wieder meint es die spanische Medienlandschaft gut mit dem Steirer. Als „Hombre del día“, Mann des Tages, hebt ihn jüngst Forbes Spanien hervor, von „einer der angesehensten Führungskräfte in der Branche“ schreibt El Independiente.
„Klare Visionen und Werte“ seien das Geheimnis, sagt Spenger mit eindringlichem Blick. „Client first“, Kundschaft zuerst, formuliert der Manager die wichtigste Leitlinie. „Einfachheit“, „Nachhaltigkeit“ und „Positivität“ seien die weiteren Säulen. „Wir lachen mehr als der Wettbewerb“, sagt Spenger kess.
Ob bei MásMóvil die Fusion mit dem nach Köpfen doppelt so großen Konkurrenten nicht für Unbehagen sorge? Spenger verneint, lenkt schnell auf die entstehende Durchschlagskraft: „Wir können jetzt viel mehr machen als vorher. Das motiviert“. Dabei ist das Portfolio von MásMóvil bereits divers. Man ist nicht nur Mobilfunker und TV-Anbieter, sondern auch Finanzdienstleister, Versicherungsanbieter und im Energiesektor tätig.
Zum Maturatreffen in die Heimat
Wie er selbst die neue, persönliche Aufgabe wahrnehmen will? „Wir werden das Unternehmen managen wie zuvor. Nach 20 Jahren MásMóvil werde ich mich auch selbst nicht mehr stark verändern“. Von massivem Jobabbau halte er wenig, sagt Spenger auf die Frage, ob die Fusion eine Entlassungswelle mit sich bringe. „Viel Talent geht dadurch verloren“. Er präferiere den Weg, neue Initiativen und Projekte aufzustellen und Mitarbeiter dann dort einzusetzen.
Mit seiner Heimat blieb Spenger, Vater zweier Töchter, in den letzten Jahren stets verbunden. Das soll sich auch nicht ändern. „Ich komme sehr gerne nach Hause“, erzählt er in Barcelona. „Bald ist es wieder so weit. Dann feiern wir in Seckau das 30-jährige Maturatreffen“.