Bei der Deutschen Lufthansa, Mutterkonzern der AUA, wird überraschend fast die komplette Führung ausgewechselt. Gleich vier der sechs Vorstände verlassen den Konzern nahezu gleichzeitig. Zudem streicht der Aufsichtsrat einen Vorstandsposten ganz. Nur der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr und der bisherige Personalvorstand Michael Niggemann bleiben. Außerdem droht der Fluggesellschaft ein Streik des Kabinenpersonals - und damit wohl erneut zahlreiche Flugausfälle.
Die Lufthansa-Aktien gaben daraufhin am Freitag deutlich nach. Bis zum frühen Nachmittag verloren die Papiere rund 3,5 Prozent – und gehörten damit zu den größten Verlierern im MAX der mittelgroßen Werte. Zwischenzeitlich stand der Lufthansa-Kurs auf dem niedrigsten Stand seit Anfang November. Im laufenden Jahr hat die Fluggesellschaft bereits über zehn Prozent an Börsenwert verloren.
Die Lufthansa teilte die Umstrukturierung des Vorstands am Donnerstagabend mit. Ab 1. Juli habe das Lufthansa-Führungsgremium nur noch fünf statt wie bisher sechs Mitglieder. Die Umstrukturierung falle mit dem Ausscheiden von vier Vorstandsmitgliedern zeitlich zusammen.
Stirnrunzeln
Turnusgemäß enden demnach die Amtszeiten von Harry Hohmeister, Vorstand „Globale Märkte und Netzmanagement“, und Detlef Kayser, Vorstand „Flotte und Technologie“ jeweils Ende Juni. Zudem scheiden den Angaben zufolge Ende Juni Christina Foerster, Ressortchefin „Markenführung und Nachhaltigkeit“, und Finanzvorstand Remco Steenbergen Anfang Mai „im beiderseitigen Einvernehmen“ aus. Michael Niggemann, Vorstand für Personal und Infrastruktur, werde dann neben seinen bisherigen Aufgaben kommissarisch das Finanzressort übernehmen, bis das Amt neu besetzt ist.
Das Ausmaß der Veränderungen dürfte für Stirnrunzeln sorgen und womöglich Bedenken hinsichtlich der Risiken aufkommen lassen, die durch die Wechsel entstehen könnten, kommentierte RBC-Analyst Ruairi Cullinane. Die meiste Aufmerksamkeit komme dabei dem Abschied von Finanzchef Steenbergen zu, schrieb Analyst Harry Gowers von der US-Bank JPMorgan. Steenbergen habe sehr gute Arbeit geleistet, indem er die Bilanz konsolidiert, die Kostenbasis restrukturiert und die Lufthansa dann aus der Pandemie herausgeführt habe. Die finanzielle Strategie werde nun unklarer.
„Nach erfolgreicher Bewältigung der Coronakrise, der anschließenden Erholung des Luftverkehrs und dem wirtschaftlichen Turnaround startet die Lufthansa Group mit einer Neuausrichtung des Vorstands in die nächste Phase ihrer Unternehmensentwicklung“, hieß es in der Lufthansa-Mitteilung zur Begründung.
„Mit neuem Schwung und einem veränderten Team“
Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley teilte mit, die Herausforderungen für Branche und Unternehmen seien andere als in den vergangenen Jahren, sie blieben jedoch gewaltig. „Wir wollen sie mit neuem Schwung und einem veränderten Team angehen, das noch stärker internationale Erfahrung und vielfältige Perspektiven vereint.“ Außerdem verspricht sich Kley ein ausgeprägtes Teamverständnis.
Nach dem Beschluss des Aufsichtsrates soll Grazia Vittadini, aktuell Sonderberaterin von Rolls-Royce, mit 1. Juli 2024 in den Vorstand als Technik- und IT-Chefin neu berufen werden.
Ebenfalls mit Wirkung per 1. Juli 2024 werde Dieter Vranckx, derzeit Vorstandschef der Tochtergesellschaft Swiss International Air Lines, zum Vorstand „Globale Märkte und kommerzielle Steuerung Hubs“ bestellt. Vranckx werde mit seinem Wechsel nach Frankfurt Steenbergens Mandat als Vizepräsident im Verwaltungsrat von Swiss Air übernehmen. Das Lufthansa-Vorstandsressort „Konzernfinanzen“ solle neu besetzt werden.
Zusätzliche Verunsicherung durch neue Streikgefahr
Neben dem umfangreichen Vorstandsumbau sorgte neue Streikgefahr für zusätzliche Verunsicherung bei den Lufthansa-Aktionären. Die Gewerkschaft UFO erklärte am Donnerstag die Tarifverhandlungen für rund 18.000 Kabinenbeschäftigte für gescheitert. Sie rief ihre Mitglieder auf, in einer Urabstimmung ab kommender Woche bis 6. März über Streiks zu entscheiden. Die Lufthansa habe in einem weiteren Spitzengespräch kein ausreichendes Angebot vorgelegt, teilte die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) in Frankfurt mit.
„Wir gehen den Weg der Eskalation nicht gerne, es bleibt uns aber keine Alternative, solange die Lufthansa nicht auf unsere berechtigten Forderungen eingeht“, sagte der Ufo-Vorsitzende Joachim Vázquez Bürger. Die Kabine habe Forderungen, die mehr als berechtigt seien. In der Krise hätten die Beschäftigten große Zugeständnisse gemacht, um Arbeitsplätze zu sichern. Er rechne bei der Urabstimmung mit einer hohen Beteiligung, sagte Bürger.
Die Gewerkschaft hatte bereits Ende Januar die Gehaltsverhandlungen für die Flugbegleiter der Stammgesellschaft einseitig abgebrochen und sich kampfbereit gezeigt. Den Vergütungstarifvertrag für die Lufthansa Kabine hatte sie zum Jahresende 2023 gekündigt.
Der Lufthansa steht nun die Eskalation des nächsten Tarifkonflikts bevor. Bei der Airline streikten zuletzt Piloten der Tochter Discover, um einen Erst-Tarifvertrag zu erzwingen.
Zudem hatte diese Woche ein zweiter Warnstreik des Bodenpersonals den Lufthansa-Betrieb nahezu lahmgelegt. Hunderte Flüge fielen aus, mehr als 100 000 Passagiere mussten umplanen. Eine schnelle Einigung mit der Gewerkschaft Verdi ist nicht in Sicht.
Zudem laufen Tarifverhandlungen für die Luftsicherheitskräfte. Bei einem bundesweiten Warnstreik, den Verdi Anfang Februar organisiert hatte, kam es ebenfalls zu Flugausfällen im großen Stil.