Es ist so etwas wie ein Legendentreffen, hier in London, in einem Pub namens „Grenadier“. Gleich neben dem Hyde Park, dem Buckingham Palace und in der Nähe des Kensington Palace. Ineos, die junge Automarke, entstand hier vor wenigen Jahren, quasi aus einer Idee, die auf einen Bierdeckel passte, weil Autoliebhaber, Abenteurer und Industriegigant Jim Ratcliffe, den hier alle nur Sir Jim nennen, seinen geliebten Landrover Defender ins Ausgedinge entgleiten sah. Und mit Freunden das erste Ineos-Modell, den Grenadier, erfand. Kompromisslos offroad, nicht weichgespült, so wird’s der Legende nach auf den Punkt gebracht.

Ja, es ist dieser Jim Ratcliffe, der als einer der reichsten Briten gilt und gerade über 27 Prozent der Anteile von Manchester United gekauft hat. Sir Jim gehören außerdem zwei weitere Fußballklubs in Europa und ein Drittel des F1-Rennstalls von Mercedes genauso wie ein gigantisches Chemie-Industrieunternehmen mit über 26.000 Mitarbeitern. Das ist nur ein kleiner Auszug.

Er ist selbst zur Legende geworden. Und ja, Sir Jim besitzt inzwischen auch das Grenadier Pub, das für diesen einen Tag, den Tag der Weltpremiere sogar in „Fusilier Pub“ umbenannt wurde. Ob seiner Visionen und Durchsetzungskraft wird er gerne in einem Atemzug mit Didi Mateschitz genannt. An seiner Seite im Grenadier Pub: sein steirischer Entwicklungs- und Produktionsvorstand Hans-Peter Pessler, den Sir Jim direkt von Magna abgeworben hat, weil er Entwicklung und Produktion in Schwung gebracht hat. Und Vorstandschefin Lynn Calder. 

Und jetzt präsentierte Sir Jim höchstpersönlich die dritte Modellreihe: den Fusilier. Ein Elektroauto, das fällig war. Zwar diskutiert und verschiebt die EU die Euro-7-Abgasnormen nach hinten, aber die Strafzahlungen für das Überschreiten der CO₂-Werte werden immer happiger. Die Konzerne müssen E-Autos bauen. 

Ineos hat dabei einen interessanten Ansatz: Einerseits wird man den Fusiler als reines E-Auto bauen, die Entwicklung mit Magna läuft ja bereits. Die gute Nachricht: Magna arbeitet mit einer dreistelligen Mitarbeiteranzahl an der Entwicklung – und ab 2027 sollen dann 30.000 bis 50.000 Stück auch bei Magna in Graz produziert werden, wie Ineos in London bestätigt. Und auch schriftlich wird mitgeteilt: „Magna wird das Fahrzeug in Graz fertigen.“

„Letztlich hat immer der Konsument recht“

Aber zuletzt hat sich noch Verzögerung eingestellt, weil man ein besonderes technisches Konzept realisieren möchte. Mit einem sogenannten Range Extender, einem kleinen Benzinmotor, der einen Generator antreibt, der wiederum, vereinfacht erklärt, die Batterie lädt, soll die Reichweite auf über 700 Kilometer ansteigen, um das Auto bei langen Touren unabhängig zu machen. 

„Letztlich hat immer der Konsument recht. Wir brauchen Lösungen, die der Konsument akzeptiert. Natürlich müssen wir den CO₂-Footprint minimieren. Aber bei den Lösungen auf dem Weg dorthin dürfen wir auch nicht nur idealistisch sein und an eine einzige Lösung glauben, sondern Lösungen suchen, die etwas bringen. Und es wird bei den Antrieben mehrere Lösungen geben“, betont Ratcliffe bei der Präsentation im Gespräch mit dem britischen TV-Kult-Moderator Richard Hammond („Top Gear“).

Know-how aus der Steiermark an Bord

Kein anderer Geländewagen nützt diese Technik, die bisher im Kleinformat nur vereinzelt in kompakten Autos eingesetzt wird. Einzigartig wird der Fusilier deshalb, weil man im Gegensatz zu diesen technischen Ansätzen in den kompakten Autos trotzdem eine große Batterie mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern einbauen möchte. Was technisch natürlich eine riesige Herausforderung ist, etwa, wie man alle Komponenten für eine maximale Reichweite unterbringt. 

Der elektrische Fusilier wird im Vergleich zum Grenadier etwas kürzer und niedriger als der wuchtige Erstling. Ineos verkündete außerdem ganz stolz, dass man das Auto auf den legendären Teststrecken auf dem Schöckl prüfen wird. Überhaupt sind weitere steirische Firmen an Bord: AVL arbeitete mit BMW (Motorenlieferant) und Ineos schon am Wasserstoff-Grenadier und könnte auch beim Range Extender mit an Bord sein. 

Bei der ersten Design-Präsentation erkennbar: Der Neue wirkt runder, stromlinienförmiger, es gibt aktive Kühlergrillklappen, die sich öffnen und schließen, die Türscharniere sind versenkbar. Natürlich tauchte die Frage auf, ob es irgendwann auch eine vierte Modellreihe, einen kleinen Ineos geben könnte. Die Idee gibt es zumindest schon. Da ist wohl wieder Sir Jim am Wort.