„Wir spüren erste Anzeichen, dass sich das Konsumklima bessert und der Handel das Konjunkturtief endlich durchschritten hat. Das ist auch dringend nötig, denn auf bereits mehrere herausfordernde Jahre davor folgte 2023 ein noch schwierigeres Jahr. Das Vorjahr war sozusagen ein schwarzes Jahr für den heimischen Handel“, so Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), bei der Präsentation der Jahresbilanz im Rahmen einer Pressekonferenz heute in der WKÖ.
So verzeichnete der gesamte österreichische Handel 2023 ein nominelles Umsatzminus von -0,4 Prozent gegenüber 2022. Berücksichtigt man die Preisentwicklung, lag der reale Rückgang sogar bei -3,4 Prozent.
„Die Konjunkturverläufe der einzelnen Handelssektoren waren dabei höchst unterschiedlich, sowohl was die Umsätze als auch was die Preisentwicklung anbelangt“, führt Handelsforscher Peter Voithofer vom Institut für Österreichs Wirtschaft (iföw) aus. Konkret ergab seine Analyse auf Basis der Statistik Austria-Daten, dass der Einzelhandel zwar ein nominelles Umsatzwachstum von +3,0 % auf insgesamt rund 86,2 Milliarden Euro (netto) erwirtschaften konnte, preisbereinigt bedeutet dies jedoch ein reales Konjunkturminus von -3,4 Prozent. „Das entspricht dem stärksten Rückgang der letzten Dekade“, so Voithofer.
Im Großhandel fiel der reale Umsatzrückgang mit -5,3 % auf einen Nettoumsatz von rund 187,8 Milliarden Euro sogar noch größer aus – und dies auch bei einem sinkenden Großhandelspreisindex. Besser lief es im dritten Handelssegment, der Kfz-Wirtschaft: Nach Rückgängen im Jahr 2022 konnte die Kfz-Wirtschaft ein nominelles Umsatzplus von +12,5 % und auch ein preisbereinigtes Wachstum (+4,7 Prozent) erzielen, wenngleich die Pkw-Neuzulassungen das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht haben.
Lebensmittel, Mode, Möbel
Das höchste nominelle Wachstum erzielte der Lebensmitteleinzelhandel ( +8,3 Prozent). Real fällt die Konjunkturentwicklung aber auch hier negativ aus (-1,0 Prozent). Ein kleines reales Plus (+1 Prozent) erreichte lediglich der Bekleidungseinzelhandel, der damit erstmals wieder an das Vorkrisenniveau anschließen konnte. Viele andere Branchen wie der Schmuckhandel, der Spielwarenhandel, der Möbelhandel sowie der Einzelhandel mit Büchern/Zeitschriften liegen noch unter dem Umsatzniveau von 2019. „Das Problem ist jedoch, dass viele Modehändler sowohl Bekleidung als auch Schuhe anbieten und es ihnen daher noch alles andere als rosig geht. Das zeigen auch die vielen Insolvenzen und Schließungen im Schuh- und Modehandel, aber auch in einer Reihe anderer Handelsbranchen“, so Voithofer.
Mehr Insolvenzen
In Summe waren im Vorjahr 944 Handelsunternehmen insolvent - ein Anstieg um +14,3 Prozent gegenüber 2022. Besonders betroffen war der Einzelhandel. „Die hohen Kosten - von der Energie über die Miete bis hin zu den Löhnen - gepaart mit der Kaufzurückhaltung der Konsument:innen, war für viele Betriebe nicht mehr stemmbar“, sagt Trefelik. Vor allem auch deshalb, weil die Ertragslage vieler Unternehmen angesichts starkem (Preis-)Wettbewerb zu wünschen übriglässt.
Nicht zuletzt eine Folge der hohen Lohnkostensteigerungen ist zudem die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen: So ging im Einzelhandel die Beschäftigung leicht zurück (-0,9 Prozent) und auch die Zahl der offenen Stellen war deutlich weniger hoch als noch 2022.
Wer im Handel beschäftigt ist, bleibt übrigens in den allermeisten Fällen sehr gerne in der Branche: Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der Johannes Kepler Universität (JKU) im Auftrag der WKÖ-Bundessparte Handel ergab, bezeichnen acht von zehn Einzelhandelsmitarbeiter:innen ihren Job als attraktiv. Auch sind mehr als die Hälfte länger als fünf Jahre und rund ein Drittel über zehn Jahre im selben Unternehmen tätig.
Konsumklima: vorsichtig optimistisch
„Auch wenn es über 2023 wenig Positives zu berichten gibt, haben wir erste Anzeichen, die uns vorsichtig optimistisch auf 2024 blicken lassen“, resümiert Trefelik. Zwar dürfte sich der von den Wirtschaftsforschern prognostizierte gesamtwirtschaftliche Aufschwung etwas verzögern, die Händler:innen schätzen die Entwicklung weniger pessimistisch als im Vorjahr ein. Auch lässt die Inflationsdynamik von Monat zu Monat nach und die wieder etwas gesunkenen Energiepreise kommen nun – zeitverzögert – bei den Unternehmen an. „Wir hoffen aber, dass sich das Konsumentenvertrauen weiter verbessert und wir 2024 endlich wieder ein normales Handelsjahr erleben“, sagt Trefelik.
Rahmenbedingungen verbessern
Dafür sind allerdings auch einige Weichenstellungen nötig. „Es muss Schluss sein mit den exorbitanten Kostensteigerungen der letzten Jahre. Wir brauchen Energiesicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen und eine Senkung der Lohnnebenkosten - auch, um die Lohnkostensteigerungen ein wenig zu kompensieren“, so Trefelik. Zudem fordert er, dass es attraktiver werden muss, Vollzeit zu arbeiten sowie strengere Kontrollen, was Einfuhren aus Drittländern betrifft: „Die EU hat hier rechtlich für mehr Fairness gesorgt, indem unter anderem die 22 Euro-Grenze der Einfuhrumsatzsteuer für Importe aus Drittländern weggefallen ist. Als nächster Schritt soll der Entfall der 150 Euro-Zollfreigrenze folgen. Aber ohne entsprechende Kontrollen ist das zahnlos, wenn zum Beispiel eine asiatische Plattform den wahren Warenwert nicht richtig deklariert und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen Anbietern verschafft“, kritisiert Trefelik.