Gefühlt reden fast alle von KI – doch ausgerechnet KI-Experte Christian Baudis hält den „KI-Hype für vollkommen überzogen“. Der frühere Google-Deutschland-Chef und „Futurist“ erwartet nämlich nicht, dass die generative KI (die Erschaffung von Inhalten auf Basis erlernter Daten und Muster wie etwa ChatGPT) ähnlich umwälzende Effekte haben werde wie es zuvor Internet und Smartphone hatten. „Dinge, die wir heute als KI bezeichnen, sind ja nur statistische Auswertungen.“ Allerdings in Sekundenschnelle, wofür man früher Wochen, Monate oder gar Jahre brauchte. „Die KI beschleunigt Prozesse ungemein.“

KI ermögliche daher schnellere Entscheidungen: „Denn ich kann in nahezu allen Bereichen – von Versicherungen und Banken bis zur Landwirtschaft – viel bessere Vorhersagen treffen.“ Etwa, wenn Sensoren Produktionsanlagen überwachten und so die Gefahr eines Ausfalls minimierten. Die Voraussetzung dafür seien freilich „gute und viele Daten“. Früher konnte man das zwar auch, so Baudis, „aber man benötigte dafür sehr viele Mitarbeiter.“ KI mache diese Auswertungen viel einfacher. ChatGPT ist für Baudis hingegen vor allem „Assistenz, um die Dinge zu vereinfachen, die man früher selbst machen musste“.

„Werden als Menschen infrage gestellt“

Das Potenzial, den Einsatz menschlicher Arbeitskraft zu reduzieren, sei hoch. Viele Analysen, die heute ein Mensch macht, könnten von der Maschine übernommen werden. Arbeitsprozesse würden abgekürzt, Kleinstunfälle im KFZ-Schadensbereich von Versicherungen bearbeitet etwa die KI – und nicht mehr der Sachbearbeiter. „Wir werden als Menschen infrage gestellt.“ Das betreffe natürlich auch den Journalismus, wo Texte teilweise durch die KI vorformuliert werden. KI sei aber auch eine Chance: „Mehr Effizienz kann zu qualitativ besserer Arbeit führen.“

Die Gesellschaft müsse darauf achten, durch KI so viele Vorteile wie möglich zu schaffen und Risiken möglichst zu reduzieren. Denn diese seien hoch: „Die Gefahr, Opfer von Betrügern zu werden, steigt durch KI exponentiell.“ Hier helfe nur mehr Vorsicht und Prüfung auf Plausibilität.

„Das ist wie im Baumarkt“

Die Mehrzahl der Unternehmen sieht sich nicht auf das KI-Zeitalter vorbereitet, das zeigen Umfragen. „Dabei ist KI viel einfacher, als man glaubt“, sagt Baudis. Vorausgesetzt, man setzt sich intensiv mit den Anwendungsmöglichkeiten auseinander. „Viel wichtiger als ChatGPT ist der ganze Effizienzbereich durch KI.“ Dafür brauche es etwa Sensoren, Bilderkennungssoftware und Clouds, über die man die KI laufen lässt: „Das ist wie im Baumarkt. Man muss nur wissen, dass es diese Tools gibt und wie man sie anwendet.“

Serviceroboter für zuhause

Viel hält Baudis von Haushaltsrobotern. Er ist überzeugt, diese würden das Smartphone als relevantestes Endgerät ablösen: „Die Serviceroboter halten bereits Einzug in Gastronomie und Krankenhäuser und stiften dort viel Nutzen.“ Haushaltsroboter würden sich durchsetzen und zu Verkaufsschlagern. Ähnliches gelte für die Pflege, glaubt Baudis: „Die Serviceroboter werden immer besser und preiswerter – und kommen bald auch für zuhause.“