ie Europäische Zentralbank (EZB) fährt in ihrer Geldpolitik weiter auf Sicht. Der geldpolitische Kurs hänge nach wie vor von der Datenlage ab, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Konkret nannte die Französin die Aussichten für die Inflationsentwicklung und die Dynamik der grundlegenden Inflation.
Lagarde warnte jedoch vor einer überstürzten Lockerung der Geldpolitik. „Das Letzte, was ich sehen möchte, ist, dass wir eine voreilige Entscheidung treffen, die die Inflation wieder steigen lässt, und wir mehr Gegenmaßnahmen ergreifen müssen“, erklärte Lagarde. Der EZB-Rat verfüge noch nicht über genügend Indizien, dass das mittelfristige Inflationsziel von zwei Prozent nachhaltig erreicht werde.
Ähnlich wie Lagarde hatten sich zuletzt auch die deutschen Vertreter im EZB-Rat geäußert. Bundesbankpräsident Joachim Nagel und die EZB-Direktorin Isabel Schnabel gelten als Verfechter einer strikten Geldpolitik, die vor allem auf die Inflationsbekämpfung ausgerichtet ist. Andere Vertreter der Notenbank wie der italienische Zentralbankchef Fabio Panetta neigen dagegen zu einer lockereren Linie und früheren Zinssenkungen.
In Reaktion auf die bis Ende 2022 massiv gestiegene Inflation hat die EZB ihre Geldpolitik erheblich gestrafft. Aktuell beträgt der wichtige Einlagensatz vier Prozent, nachdem er bis Mitte 2022 noch an der Nulllinie gelegen war. Die Teuerung im Währungsraum war zeitweise auf mehr als zehn Prozent geklettert, vor allem aufgrund stark steigender Rohstoff- und Energiepreise wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Mittlerweile nimmt der Preisauftrieb wieder ab.
Eine zunehmende Bedeutung für die Inflationsentwicklung nimmt laut Lagarde jedoch die Lohnentwicklung ein. Denn die Arbeitnehmer forderten eine Kompensation für die steigenden Preise. Die Entwicklung der Löhne und Gehälter hänge entscheidend von den Tarifverhandlungen ab.
Inflation dürfte weiter zurückgehen
Der Prozess rückläufiger Inflationsraten dürfte sich zwar fortsetzen, erwartet die EZB-Chefin. Der geldpolitische Rat der Notenbank müsse für Kursänderungen aber zuversichtlich sein, dass das Inflationsziel der Notenbank von zwei Prozent nachhaltig erreicht werde. Lagarde bekräftigte damit Äußerungen von der jüngsten EZB-Zinssitzung Ende Jänner. Wegen der sinkenden Inflation und der schwächelnden Wirtschaft fragen sich Analysten und Anleger, wann die EZB die geldpolitische Wende mit sinkenden Leitzinsen einleiten wird. Viele Fachleute sehen einen möglichen Zeitpunkt Mitte des Jahres. Die Notenbank selbst hat sich bisher nicht festgelegt.