Die Ökonomin Katharina Mader analysiert: „In den letzten 25 Jahren hat sich der Gender-Pay-Gap kaum verbessert, mit Freiwilligkeit kommt man also nicht weit.“ Was die Wissenschaftlerin, die für das arbeitnehmernahe „Momentum-Institut“ tätig ist, daher fordert, ist ein Gesetz. Doch dazu später mehr. Warum reden wir heute wieder über den Gender-Pay-Gap? Weil am 14. Februar 2024 der sogenannte „Equal Pay Day“ ist, also bis zu diesem Datum haben Frauen in Österreich quasi gratis gearbeitet. Nach Bundesländern ist es noch ein bisschen trauriger, denn in der Steiermark müssen Frauen sogar bis zum 27. Februar symbolisch gratis arbeiten. Begründet wurde und wird dieser Unterschied in der Bezahlung – aktuell liegt der laut dem Frauennetzerk „Business and Professional Woman“ bei 12,4 Prozent für Vollzeitarbeit – unterschiedlich. Ein Punkt, der immer wieder genannt wird, ist die Berufswahl von Mädchen und Frauen. Die These ist: Würden Frauen stärker in „MINT“-Berufe gehen, dann würden sie auch besser bezahlt und der Gender-Pay-Gap würde sich automatisch schließen. MINT ist eine Abkürzung und steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Dem stellt Mader eine aktuelle Analyse der Branchen gegenüber und laut dieser ist der Gehaltsunterschied gerade in Männerberufen am höchsten. Während bei Assistenzberufen im Gesundheitswesen nur ein Unterschied von 12 Prozent besteht, schnellt der Unterschied bei „Ingenieurstechnischen und vergleichbaren Fachkräften“ auf 37 Prozent (siehe Grafik oben). „Das hat zwei Aspekte. Je besser eine Branche bezahlt wird, desto größer ist der Unterschied. Einmal, weil es immer weniger Transparenz gibt, also immer weniger wissen, wie konkret eine Arbeit bewertet wird, und dann herrscht in den sehr gut bezahlten Branchen und Hierarchien auch oft eine Kultur, die sexistisch und diskriminierend ist“, so Mader. Und dass sich technische Berufe für Frauen finanziell auszahlen, sieht die Ökonomin auch ambivalent. „Natürlich sollten allen, also Frauen und Männern, alle Berufe offenstehen, doch am Beispiel der IT und der Programmierung sieht man auch, wann Berufe wertvoll werden.“ Der Beruf des Programmierers war nämlich, nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Frauenberuf und schlecht bezahlt. Heute jedoch sind diese Jobs im Silicon Valley beinahe die höchstbezahlten weltweit. „Wir nennen das in der Forschung Abwertungstheorie und die besagt, dass Berufe weniger wert werden, wenn hauptsächlich Frauen ihn ausüben. Bei der IT-Programmierung kam hinzu, dass in den 1970er-Jahren auch eine Zurückdrängung der Frauen in den Haushalt stattfand, man ihnen die Jobs also regelrecht weggenommen hat.“
Nicht Diskriminierung, sondern die „Strafe“ der Mutterschaft
Die Gründerin von „MINT-ality“, einer Stiftung, die sich genau dafür einsetzt, Mädchen in diese Sparten zu bringen, kritisiert die Rückschlüsse der Momentum-Analyse. Therese Niss: „Bei all den kritischen Dingen muss man doch einfach sagen, dass man in MINT-Berufen mehr verdient. Man kann Diskriminierung kritisieren, doch als Elektrikerin verdiene ich mehr als im Friseursalon.“ Außerdem würde man in diesen Berufen auch spannende Berufsfelder finden, die Mädchen ansprechen, wie Nachhaltigkeit oder andere gesellschaftspolitisch relevante Themen, so Niss. Für sie gehe es um „Bestärkung und Ermächtigung von Mädchen, sich in diese Felder auch wirklich zu trauen.“
Frustriert über den langsamen Fortschritt in Sachen Gehaltsgerechtigkeit ist man auch beim arbeitgebernahen Thinktank „Agenda Austria“, doch hier gibt es andere Argumente als bei „Momentum“. „2004 lagen wir noch bei 22,5 Prozent Unterschied und natürlich ist 12,4 Prozent immer noch zu hoch, aber man sollte die positiven Entwicklungen auch erwähnen, das fände ich schon wichtig“, sagt die dortige Ökonomin Carmen Treml. Und erläutert, dass es weniger die Branchen sind, die Frauen diskriminieren, sondern dass es ganz stark mit der Mutterschaft zusammenhängt, die Frauen aus dem Arbeitsmarkt wirft oder in die Teilzeit treibt. „Wir haben in Österreich extrem lange Karenzzeiten und nachdem die Karenzmodelle von Vätern eigentlich nicht wahrgenommen werden, hängt alles bei den Frauen. Über diese Zeit verliert die Frau ständig an Erwerbs- und Beförderungsmöglichkeiten, die Männer aber in Anspruch nehmen können.“ Was wäre Tremls politischer Vorschlag? „Man sollte die Karenzzeit auf ein Jahr beschränken und sie aufteilen. Danach muss es eine flächendeckende Kinderbetreuung geben und die muss sich auch auf die Jahre in der Volksschule ausdehnen. Stichwort: Ganztagesschule.“
Island als Vorbild – Gesetz gegen Gender-Pay-Gap
Weiter oben fiel schon einmal das Wort „Gesetz“. Die Ökonomin Mader verweist mit ihrer Forderung nach Island. Bereits 14 Mal in Serie erreichte das Land Platz 1 im weltweiten Gleichstellungsindex des Weltwirtschaftsforums. Dennoch gingen die Frauen auch 2023 dort auf die Straße, um Gleichstellung weiter zu verbessern. Für den Gehaltsunterschied hat man 2018 sogar ein Gesetz verabschiedet. Der Gender-Pay-Gap ist in Island also verboten. Wer sich nicht ans Gesetz hält, wird als Unternehmen finanziell bestraft und sozial geächtet. Ganz weg ist er aber deshalb trotzdem nicht, aktuell liegt er in Island bei rund 10 Prozent. Mader würde dennoch genau so eine gesetzliche Vorgabe empfehlen, denn „es passiert nicht freiwillig“.