In den USA kommt es mitunter vor, dass auch Personen der obersten Führungsetage ihren Job verlieren, weil ihre Liebesbeziehung zu einer dienstlich unterstellten Person gegen Vorschriften der Firma verstößt. Liebes- und Flirtverbote in Arbeitsverträgen sind hier gang und gäbe.

Die Angst vor sündhaft teuren Gerichtsprozessen wegen sexueller Belästigung veranlasst amerikanische Konzerne, die Anbahnung von Beziehungen entweder von vornherein zu unterbinden oder Paaren sogenannte Liebesverträge vorzulegen, mit denen beide Partner die Einvernehmlichkeit ihrer Beziehung bestätigen. Von amerikanischen Verhältnissen ist Österreich zwar noch weit entfernt, aber wäre eine Entlassung wegen einer Liebesbeziehung grundsätzlich auch nach österreichischem Recht denkbar?

Eingriff ins Persönlichkeitsrecht

Die Expertin für Arbeitsrecht, Verena Stiboller, von der Arbeiterkammer Steiermark, erklärt hierzu: „Prinzipiell ist eine Liebesziehung am Arbeitsplatz per se kein Entlassungsgrund, das Unternehmen kann den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Liebesbeziehungen auch nicht verbieten. Das wäre nämlich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Paragraf 16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, welches laut Oberstem Gerichtshof das Recht, Beziehungen zu Mitmenschen nach dem eigenen Willensentschluss bestimmen zu können, umfasst.“ Vertragsbestimmungen, die dieses Recht verletzen, seien sittenwidrig und damit nichtig.

Kein Entlassungsgrund

Eine Liebesbeziehung unter Mitarbeitern allein kann in Österreich also kein Entlassungsgrund sein. Dazu bedarf es schon weiterer Umstände, durch die beispielsweise der Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht wird. Konkret nennt Stiboller dazu eine OGH-Entscheidung, bei der es um die rechtmäßige Entlassung einer Dienstnehmerin ging, die den Diebstahl, den ihr Kollege beging, mit dem sie liiert war, nicht zur Anzeige brachte, und ihm dadurch die Möglichkeit zu weiteren Diebstählen gab. „In einer anderen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ging es um eine Angestellte, die ihrem mit einem Hausverbot belegten Freund, der ebenfalls Mitarbeiter der Firma war, unerlaubt Zutritt zur Betriebsstätte verschaffte.“

Sex im Büro

Mehrfach beschäftigten sich die Gerichte auch schon mit dem Thema „Sex während der Arbeitszeit“. Stiboller sagt dazu: „Geschlechtsverkehr während der Arbeitszeit kann einen Entlassungsgrund darstellen. Bei einem Mitarbeiter, der regelmäßig während der Arbeitszeit Geschlechtsverkehr mit einer Kollegin in den Büroräumlichkeiten hatte, hielt der OGH die Entlassung für gerechtfertigt.“

Zum Austausch von Zärtlichkeiten am Arbeitsplatz gilt für Kollegen, die ein Paar geworden sind, aus rechtlicher Sicht naturgemäß ein gewisser Spielraum, der nur für den Einzelfall beurteilt werden kann.

Grundsätzlich gibt es auch keine Melde- und Anzeigepflicht von innerbetrieblichen Liaisons, wie Stiboller betont. „Problematisch wird es aber in Konstellationen, in denen etwa das Vier-Augen-Prinzip ausgehebelt wird oder ein sonstiger Interessenskonflikt droht“, sagt die Expertin. Dann könne es durch die Treuepflicht gegenüber dem Dienstgeber durchaus nötig sein, den Arbeitgeber über die Beziehung zu informieren.

Versetzung?

Liebespaare, deren Verhalten sich nachteilig auf das Betriebsklima in ihrer Firma auswirkt, könnten gegebenenfalls durch eine Versetzung getrennt werden. Der Arbeitgeber hat nämlich eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Dienstnehmern. Soll heißen: Wenn sich durch das Verhalten eines Mitarbeiters das Betriebsklima grob verschlechtert, ist er angehalten, Maßnahmen zu ergreifen. „Versetzungen sind allerdings nur im Rahmen möglich, den der Arbeitsvertrag vorgibt. Zudem bedarf es bei verschlechternden Versetzungen auf Dauer der Zustimmung des Betriebsrates – wenn es einen gibt“, betont Stiboller.

Stichwort „Rosenkrieg“

Wo Liebesbeziehungen entstehen, können freilich auch Rosenkriege ausbrechen. Bernadette Pöcheim, die das Frauenreferat der Arbeiterkammer Steiermark leitet, sagt: „Die Beratungspraxis zeigt, dass es wirklich problematisch wird, wenn die Beziehung von einem Teil beendet wird und der andere Teil diese weiterführen will – da steht dann oft eine sexuelle Belästigung im Raum, wenn am Arbeitsplatz weiter entsprechende Handlungen gesetzt werden.“

Dann könne nach dem Gleichbehandlungsgesetz auch ein Schadenersatz geltend gemacht werden. „Wir haben auch immer wieder die Thematik ‚Vorgesetzter mit Kollegin‘: Die Beziehung wird beendet und der Vorgesetzte will die Kollegin auch am Arbeitsplatz loswerden.“ Oft werde dann eine Abschlagszahlung angeboten. Es gebe aber auch die Möglichkeit einer Anfechtung: „Da wird vor Gericht viel Schmutzwäsche gewaschen wie auch bei einem Scheidungsverfahren. Wir versuchen, diese Geschichten immer außergerichtlich zu lösen.“

Zur Frage, ob die Trennung bzw. Scheidung eines Paares, das in derselben Firma arbeitet, ein Entlassungsgrund sein kann, sagt die Rechtsexpertin: „Eine Trennung an sich ist wie auch eine Affäre kein Entlassungsgrund.“ Für einen Rauswurf müsste also etwas Gravierendes im Zusammenhang mit der Trennung vorfallen, dass sich auf die betrieblichen Interessen auswirkt bzw. eine Pflichtverletzung gegenüber dem Dienstgeber darstellt. Wann tatsächlich ein Entlassungstatbestand vorliegt, kann freilich nie allgemein gesagt werden. Das ist nur im Einzelfall zu klären.

Zuletzt gekündigt

Wo unter einer Liebesbeziehung am Arbeitsplatz oder der Trennung eines Paares im Unfrieden die Arbeitsqualität und das Betriebsklima leiden, aber keine Entlassungsgründe vorliegen, gibt es freilich die Möglichkeit, ein Dienstverhältnis auf dem Wege einer Kündigung zu beenden – allerdings immer unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen. Kündigungen müssen dabei gar nicht begründet werden.