Die letzte Runde, das Abnicken einer nach langen Verhandlungen getroffenen Einigung auf EU-Ebene, gilt als reine Formsache. Die Botschafter der EU-27 hatten genau das auf der Agenda für diesen Freitag: Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz, fertig.
Doch auf den letzten Metern gerät der ambitionierte Plan ins Wanken und droht sogar völlig zu scheitern. Denn obwohl noch im Dezember die Trilogeinigung, die finale Verhandlung zwischen EU-Parlament, Mitgliedsländern und Kommission gefeiert wurde, legt sich beim Schlussakt Deutschland quer und will sich der Stimme enthalten – was als Gegenstimme gezählt wird. Wenn das ein so großes Land wie Deutschland tut, ist Feuer am Dach; auch aus einigen anderen Ländern würden bereits Bedenken geäußert, hieß es dazu gestern am Rande der derzeit laufenden EU-Plenarsitzung in Straßburg.
Auslöser für den Umkehrschub ist die deutsche FDP, genauer gesagt Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner. Die Richtlinie sei in der bisherigen Form „unzumutbar für kleine und mittelständische Unternehmen“, sagte Buschmann. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte noch Entlastungen und Hilfen für Unternehmen bei der Umsetzung angeboten. Die Liberalen habe dies aber nicht umstimmen können, sagte er enttäuscht.
Dabei war der EU-Entwurf zunächst sehr gut angenommen worden. In Deutschland gibt es bereits ein solches Gesetz, von einer EU-weiten Regelung erhoffte man sich bessere Chancengleichheit. Zustimmung kam daher von den ganz Großen aus der Wirtschaft: Aldi, Amazon, BMW, KiK und zahlreiche andere Unternehmen unterstützten den Vorstoß. Doch genau dort ist der Haken. Es werde ein „Bürokratiemonster“ geschaffen, das für kleinere oder mittlere Unternehmen nicht zu verkraften sei.
Hintergrund des Gesetzes ist es, Menschenrechte überall auf der Welt zu schützen und Umweltsünden nicht zuzulassen. Kinderarbeit, schreckliche Zustände in fernen Textilfabriken, Ausbeutung und Unterdrückung ganzer Bevölkerungsgruppen und anderes mehr sollen im internationalen Warenhandel beendet werden. Doch das Gesetz geht sehr weit, es betrifft bereits Betriebe ab 500 Mitarbeitern und in der Folge sollen Benachteiligte, auf die nicht reagiert wurde, sogar klagen können.
In Österreich hatte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ihre Zustimmung zum Gesetz bereits bekräftigt, offen ist aber nun, wie Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) mit der neuen Lage umgeht. Auch gestern hieß es noch gegenüber der Kleinen Zeitung, der finale Gesetzesentwurf sei zugestellt worden und werde nun geprüft. Zahlreiche NGOs, Umweltschutzorganisationen und politische Akteure appellieren nun an Kocher und die Bundesregierung, nicht auch noch umzufallen. „Wenn das EU-Lieferkettengesetz auf den letzten Metern scheitert, wäre das ein schwarzer Tag für die europäische Demokratie, denn es stellt den demokratischen EU-Gesetzgebungsprozess infrage. Ich appelliere an alle Verantwortlichen, die politische Einigung zwischen den europäischen Gesetzgebern zu akzeptieren und diese zu beschließen“, sagte Evelyn Regner (SPÖ), Vizepräsidentin des EU-Parlaments.
Sie spricht damit auch eine Besonderheit im Verfahren an: Schon beim bereits beschlossenen Aus für den Verbrennermotor hatte der deutsche FDP-Verkehrsminister Volker Wissing noch nach der Trilogeinigung ein Veto eingelegt und Nachverhandlungen eingefordert.