Mit einem Warnstreik des Bodenpersonals an fünf Standorten in Deutschland hat die Gewerkschaft Verdi den Flugbetrieb der Lufthansa empfindlich getroffen. Von den ursprünglich mehr als 1000 geplanten Flügen fielen am Mittwoch bis zu 90 Prozent aus. Mehr als 100.000 Passagiere mussten der Lufthansa zufolge ihre Pläne ändern. Wie geplant gestartet sind aber die Deutschland-Flüge der Lufthansa-Tochter AUA.
An den Drehkreuzen Frankfurt und München fand jeweils nicht einmal mehr die Hälfte des sonst üblichen Luftverkehrs statt, denn die Lufthansa ist an beiden Flughäfen der mit Abstand größte Kunde. Neben wenigen Lufthansa-Jets konnten die nicht bestreikten ausländischen Gesellschaften, kleinere Lufthansa-Konkurrenten aus dem Inland sowie die zum Lufthansa-Konzern zählenden Gesellschaften Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels abheben.
In Düsseldorf lief der Betrieb reibungslos an, wie ein Flughafensprecher versicherte. Zwischen 6.00 und 8.00 Uhr, wenn üblicherweise besonders viele Flieger abheben, habe es keine Verzögerungen oder längere Wartezeiten gegeben. 14 von 15 Lufthansa-Flügen in der nordrhein-westfälischen Hauptstadt waren abgesagt. Die 280 übrigen Starts und Landungen am Mittwoch sollen wie geplant stattfinden. Andere Fluggäste müssen allenfalls mit kleineren Verzögerungen rechnen. Die Lufthansa-Tochter Eurowings ist nicht betroffen. Sie plant alle 52 Abflüge fest ein.
Bereits am Dienstagabend fielen erste Flüge aus. Mehr als 100.000 Passagiere mussten nach Angaben des Unternehmens umplanen. An den übrigen Flughäfen in Deutschland wurden in der Regel die Verbindungen von und nach Frankfurt und München gestrichen.
Lufthansa warnte Passagiere abgesagter Flüge davor, zum Flughafen kommen. Dort könnten sie keine Hilfe erwarten. „Aufgrund des Streiks sind die Umbuchungsschalter leider nicht besetzt“, stand auf der Webseite der Fluggesellschaft.
„Bitterer Tag für Fluggäste“
„Es ist ein bitterer Tag für unsere Fluggäste“, sagte Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann im ZDF. Die von Verdi gewählte Eskalation sei nicht notwendig gewesen. Die Protestierenden bat der Manager in einer Ansprache, den zurückliegenden Abschluss mit Gehaltserhöhungen von bis zu 19 Prozent ebenso anzuerkennen wie das vorgelegte Angebot.
Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky hielt dem Management hingegen vor, die eigenen Leute respektlos zu behandeln. „Die Zweiklassengesellschaft zwischen fliegendem Personal und Boden muss endlich beendet werden.“ Kundgebungsteilnehmer zeigten sich mit ihren Arbeitsbedingungen sehr unzufrieden. Eine Gepäckermittlerin berichtete: „Wir haben 50 Prozent weniger Mitarbeiter als vor Corona, aber die Arbeit ist die Gleiche geblieben. Eigentlich müsste man noch mehr fordern.“ Ein Kollege meinte: „Wir brauchen die Erhöhung zum Leben, es ist alles viel teurer geworden.“
Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) versuchte, die Lage zu deeskalieren. „Ich appelliere an die Gewerkschaften, mit Augenmaß die weiteren Tarifrunden zu gestalten“, sagte BDL-Präsident Jost Lammers in Berlin. „Das Streikrecht ist ein sehr hohes und wichtiges Gut. Es sollte das letzte Mittel sein.“
Freitag wieder normal
Die Streiks in Deutschland wurden von der Gewerkschaft ausgerufen, um höhere Gehälter und Löhne durchzusetzen. Enden soll der Ausstand am Donnerstag um 07.10 Uhr. Die Lufthansa rechnet für den Donnerstag noch mit einem ruckeligen Betriebsanlauf mit einigen Ausfällen und Verspätungen. Bis zum Freitag soll sich der Betrieb wieder vollständig normalisiert haben.
Lufthansa: „Völlig unverständllich“
Das Unternehmen kritisierte das Vorgehen der Gewerkschaft: „Noch vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen ist der Streik auch in Länge und Ausmaß völlig unverständlich“, hieß es. Der Warnstreik belaste Gäste und Mitarbeitende unverhältnismäßig, meinte Personalvorstand Michael Niggemann. Er verwies auf das aktuelle Angebot, das unter anderem Erhöhungen von Vergütung und Zusatzleistungen von insgesamt über 13 Prozent in den nächsten drei Jahren sowie eine signifikante Inflationsausgleichsprämie beinhalte.
Verdi will mit dem Warnstreik den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. Das Angebot in der zweiten Verhandlungsrunde wurde von der Gewerkschaft zurückgewiesen. Knackpunkte waren laut Verdi etwa die als zu niedrig empfundenen Erhöhungsschritte und die 36-monatige Laufzeit. Im laufenden Tarifkonflikt fordert Verdi 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem soll es eine konzernweit einheitliche Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro geben. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 12. Februar in Frankfurt am Main geplant. Drei weitere Runden sind laut Verdi vereinbart.
Schauplatz von Arbeitskämpfen
Die Flughäfen sind derzeit häufiger Schauplatz von Arbeitskämpfen. Erst in der vergangenen Woche hatte Verdi einen Warnstreik der Luftsicherheitskräfte an mehreren Flughäfen organisiert. Hier fielen laut Flughafenverband ADV rund 1.100 Flüge aus und 200.000 Passagiere mussten umplanen. ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel kritisierte das Vorgehen scharf: „Die Auseinandersetzung wird erneut auf dem Rücken Unbeteiligter ausgetragen. Der ohnehin durch hemmende Regulierungen benachteiligte Luftverkehrsstandort Deutschland nimmt Schaden. Reisende werden zum Spielball.“