Als Satya Nadella heute vor exakt zehn Jahren, am 4. Februar 2014, an die Spitze von Microsoft gerückt war, hatte er bereits 22 Jahre beim Riesen aus Redmond hinter sich. So hieß es damals, ein „Firmenveteran“ übernehme den Softwarekonzern. Und das in einer durchaus heiklen Phase der Unternehmenshistorie. Der Windows-Konzern galt als angeschlagener Koloss – und die Gefahr, abgehängt zu werden, schien real. Nadellas Vorgänger, Steve Ballmer, hatte nicht immer die glücklichste Figur an der Spitze abgegeben, galt aber als lautstarker Vermarkter – im Gegensatz zu Nadella, dem teamorientierten, technisch enorm versierten Mann der eher leisen Töne. Er ist nach Bill Gates und Steve Ballmer übrigens erst der dritte Chef überhaupt in dem 1975 gegründeten Unternehmen. Und er brachte das Unternehmen zurück in die Erfolgsspur.
Aus dem angeschlagenen Giganten formte der 1967 in der indischen Großstadt Hyderabad geborene Nadella wieder einen Primus. Der Aktienkurs legte seit Nadellas Antritt um mehr als 950 Prozent zu, erst jüngst löste Microsoft Apple als – gemessen an der Börsenmarktkapitalisierung – wertvollstes Unternehmen der Welt ab. 3000 Milliarden US-Dollar schwer ist der Arbeitgeber von 220.000 Mitarbeitenden.
„Als einziger Big-Tech-Konzern wirklich breit aufgestellt“
Nur ein Jahr nachdem Nadella zu Microsoft stößt, wird 1993 mit Mosaic der erste Webbrowser vorgestellt. Eine Zäsur, die den Cricket-Fan lange beschäftigt. Erst Jahrzehnte später löst eine Technologie bei ihm ähnliche Erwartungshaltung aus: künstliche Intelligenz, KI. Als er den Chatbot ChatGPT sieht, glaubt Nadella „das erste Mal wirklich, dass sich etwas drastisch verändert“. Der Manager geht die Wette ein – und investiert 13 Milliarden US-Dollar in ChatGPT-Erfinder OpenAI.
„Typisch Satya Nadella“, sagt dazu Johannes Brandstetter, ein KI-Spezialist, der für Microsoft forschte und heute am Institut für Machine Learning der Uni Linz arbeitet. Immer wieder hätte der Microsoft-Boss in den letzten Jahren betont offensiv zugekauft. Egal ob es sich um das Netzwerk LinkedIn, Softwareepizentrum GitHub oder den Spielehersteller Activision Blizzard handelt, meist bewies Nadella exzellentes Gefühl. Eine Folge der Umtriebigkeit sei, erklärt Brandstetter, dass Microsoft heute „als einziger Big-Tech-Konzern wirklich breit aufgestellt ist“.
„Microsofts Wette auf KI wird aufgehen“
Zwei Jahre lang arbeitete Johannes Brandstetter für die Forschungsabteilung des US-Riesen, mit KI-gestützten Simulationen für Wetter- und Klimaprognosen machte sich der Oberösterreicher weltweit einen Namen. Er glaubt, dass Microsofts Wette auf KI aufgehen wird. Bilderkennung und Sprache seien erst zwei Felder, die KI revolutioniert. „Fahrzeugindustrie, Plasmaphysik, das Design von Möbeln oder Robotics“ könnten bald folgen.
Ein Selbstläufer ist Microsofts KI-Erfolg natürlich trotzdem nicht. Zwar ist die Nachfrage nach der Technologie gigantisch und Microsoft mit der Copilot-Lösung für zahlreiche Anwendungen – von Word über Edge bis Notes – bereits am Markt. Dort lauern aber Fallstricke. Noch immer zweifeln prominente Stimmen im Silicon Valley, ob sich KI schnell monetarisieren lasse. Die Etablierung der notwendigen Serverinfrastruktur ist energieaufwendig und teuer, zugleich gibt es noch immer starke Abhängigkeiten von Chipherstellern wie Nvidia. Microsoft kündigte zwar vor geraumer Zeit an, eigene KI-Chips fertigen zu wollen – der Weg dorthin scheint noch weit.
„Auch über die unbeabsichtigten Folgen nachdenken“
Nadella bringt derlei nicht aus der Ruhe. In die Karten spielt ihm sein Charakter. Er ist kein gnadenloser Vordenker, kein glühender Visionär, der mit markigen Ansagen Aufmerksamkeit generiert. In öffentlichen Auftritten wirkt er häufig nachdenklich, wiegelt ab. „Wir dürfen bei jeder neuen Technologie nicht nur Vorteile betrachten, sondern auch über die unbeabsichtigten Folgen nachdenken“, sagt er etwa beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Ein kultureller Wandel nach außen, dem ein ebenso starker Wandel nach innen voranging. Forscher Brandstetter: „Jeder, der schon länger bei Microsoft ist, sagt, dass mit Satya eine komplett neue Firmenkultur einzog“.
Der wirtschaftliche Erfolg gibt dem Kurs Nadellas vorerst recht: Alleine im letzten Geschäftsquartal setzte Microsoft 62 Milliarden US-Dollar um und sackte einen Gewinn von 22 Milliarden ein. Für die Hälfte der Umsätze sorgt das Cloud-Geschäft. Spannend: Die gigantische Blizzard-Übernahme sorgt dafür, dass Microsoft mit dem Segment „Gaming“ erstmals mehr Geld umsetzt als mit Windows.