Die IT-Branche gilt als erfolgsverwöhnt, als Schauplatz von Arbeitskämpfen war sie bisher nicht bekannt. Das ändert sich gerade: Schon sieben Verhandlungsrunden blieben in der IT-Branche ohne Ergebnis, am Freitag (2. Februar) wird ab 10 Uhr weiterverhandelt. Dabei geht es nicht nur um die Anpassung der Mindestgehälter im Kollektivvertrag, sondern auch um eine Besonderheit im KV für die 90.000 Bediensteten der IT-Branche.
Denn die Erhöhung der Ist-Gehälter obliegt Arbeitgebern. Diese haben im KV seit rund zehn Jahren einen Gestaltungsspielraum und können Löhne von Mitarbeitern mit Überzahlung unterschiedlich anpassen. Ein Arbeitgeber kann sogar zehn Prozent der Beschäftigten mit Überzahlung gar keine Lohnerhöhung gewähren, für weitere 15 Prozent eine Einmalzahlung vornehmen. Die Gewerkschaft will das ändern.
„99 Prozent lehnen Änderungen ab“
Martin Zandonella, Kärntner IT-Unternehmer (Net4You) und Chefverhandler der Arbeitgeber, ist strikt dagegen. „Dass dieses Prinzip fällt, ist ein absolutes No-Go, das würde viele Arbeitgeber überfordern.“ Über 99 Prozent der Unternehmen lehnten Änderungen des Modells ab. Die Personalkosten der Branche lägen bei 80 Prozent, viele Betriebe verdienten ihr Geld im Ausland. Ein erheblicher Teil würde Mitarbeiter überzahlen, manche um 50 Prozent. „Aber ich kann nicht mit der Gießkanne vom Bodensee bis zum Neusiedler See neue Vorschriften generieren“, sagt Zandonella. „Wir legen einen KV-Standard fest, der für alle in der Branche machbar ist.“
Zandonella wirft der GPA vor, bewusst Unfrieden in die Branche hinzutragen, und appelliert, „nicht auf Gewerkschaftslinie von ganz oben zu setzen, sondern auf die Eigenheiten für unsere Branche einzugehen“. Es stimme ihn „traurig“, dass man nach sieben Runden noch so weit auseinanderliege – und verortet die Schuld dafür selbstredend bei der GPA.
„Unterbrechung, wenn man feststeckt“
Die Arbeitgeber bieten für Mindesgehälter 7,76 Prozent im Schnitt, also die rollierende Inflation. Ist-Gehälter sollen um 6,25 Prozent steigen. Laut Zandonella seien drei Ergebnisse denkbar: Eine Einigung, ein neuer Termin, oder, „wenn man völlig feststeckt, eine Unterbrechung“.
Sandra Steiner, Verhandlungsleiterin der Gewerkschaft GPA, verweist auf den Abschluss des Vorjahres „unter der Inflationsrate“, 2023 sei „ein gutes Jahr in der IT-Branche“ gewesen. „Es kann nicht sein, dass wir keinen fairen Abschluss bekommen“, wettert sie. Die Gewerkschaft fordert um 8,9 Prozent höhere Mindestlöhne, die Ist-Gehälter sollten in Summe um 8,7 Prozent steigen. Höhere Löhne seien auch notwendig, um die IT-Branche als Arbeitgeber zu attraktivieren, Tausende Stellen seien unbesetzt.
Das bestehende Modell bei Ist-Löhnen wolle man „auf lange Sicht evaluieren und anpassen“. Steiner ist optimistisch, dass am Freitag eine Lösung erzielt wird – und verweist auf eine Demo vor einigen Tagen, bei der 2000 IT-Fachkräfte auf die Straße gingen. „Dabei sind wir keine im Demonstrieren geübte Branche.“