Nach der Großpleite der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland im Sommer 2020 hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine weitere Anklage eingebracht. „Ehemaliger Vorstandsvorsitzender und Vorstandskollegin“ Martin Pucher und Franziska Klikovits werden „wegen Veruntreuung von Bankgeldern, Untreue, betrügerischer Krida u.a. angeklagt“, so die WKStA am Montag. Teilaspekte in den Ermittlungen würden aufgrund von Ermittlungsergebnissen eingestellt.
Weitere Ermittlungen gegen weitere Beschuldigte im Verfahrenskomplex laufen aber noch, so die WKStA. Laut deren Mitteilung werden auch drei Unternehmer als Aussteller von Scheinrechnungen und Geldempfänger angeklagt.
Die eingebrachte Anklage ist ein Teilaspekt des laufenden strafrechtlichen Verfahrens zur Aufarbeitung der Insolvenz der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG (kurz: Commerzialbank Mattersburg). Die Schadenshöhe der Tatvorwürfe aus der eingebrachten Anklage beläuft sich auf insgesamt rund 70 Millionen Euro. Der Strafrahmen für Veruntreuung, Untreue und betrügerische Krida beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.
Veruntreuung, Untreue und betrügerische Krida
Den beiden ehemaligen Vorständen der Bank wird unter anderem Veruntreuung, Untreue und betrügerische Krida vorgeworfen. Sie sollen Bankgelder von knapp 40 Millionen Euro veruntreut und mittels Scheinrechnungen unrechtmäßig den Unternehmen ihnen nahestehender Unternehmer zukommen haben lassen, teilte die WKStA mit. Ebenso sollen sie Kredite von insgesamt über 30 Millionen Euro an diese Unternehmen vergeben haben, obwohl diese wirtschaftlich nicht vertretbar und nicht ausreichend besichert gewesen sein sollen.
Darüber hinaus müssen sich Pucher und Klikovits wegen Geldwäscherei und im Zusammenhang mit Scheckfälschungen und deren Verwendung verantworten, mit denen unrechtmäßig Bargeld aus der Bank behoben wurde. All dies sei zum Nachteil der Bank und damit ihrer Einleger und anderen Gläubiger geschehen.
Mitangeklagt sind drei Unternehmer, deren Firmen sich in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hatten. Sie hätten sich durch ihre Kreditanträge an den strafbaren Handlungen der Bankvorstände beteiligt, und seien als Aussteller von Scheinrechnungen bzw. Kreditnehmer die Empfänger der Millionenbeträge gewesen. Zwei von ihnen hätten damit auch gefälschte Bilanzen erstellt. Ihnen wird die Beteiligung an der Veruntreuung und Untreue der Bankvorstände vorgeworfen, ebenso Geldwäscherei und betrügerische Krida sowie unterschiedliche Bilanzdelikte.
„Schaden in Höhe von 600 Millionen Euro“
Der Anklage waren laut WKStA umfangreiche Ermittlungen und unter anderem die Einholung mehrerer Gutachten vorausgegangen. Nach dem Bekanntwerden schwerer Malversationen war die Bank im Juli 2020 von den Behörden geschlossen worden. Zur Last gelegt werden diese insbesondere Pucher, der vergangene Woche in einem ersten Teilverfahren rund um die Causa nicht rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe von elf Monaten verurteilt wurde. Die Pleite ist laut den Gläubigerschutzverbänden die größte Insolvenz des Burgenlands, die es je gegeben hat. Zuletzt beliefen sich die Forderungen auf über 800 Mio. Euro. Die WKStA geht laut den Angaben von Montag von einem „Schaden in Höhe von 600 Millionen Euro“ aus.
Auf Basis der Ermittlungsergebnisse wurden andere Verfahrensstränge dann zum Teil eingestellt. Den Angaben zufolge gilt das unter anderen die Ermittlungsverfahren gegen die beiden Bankvorstände sowie gegen einen der Unternehmer im Zusammenhang mit weiteren Kreditvergaben und Forderungsverzichte zum Nachteil der Bank und gegen die drei Unternehmer wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen im Zusammenhang mit der Insolvenz ihrer Unternehmen. Selbiges gilt etwa auch für ein Ermittlungsverfahren gegen drei Familienmitglieder eines der Unternehmer als Beteiligte an Untreue und Geldwäscherei.
Es wird weiterhin gegen 35 Beschuldigte ermittelt
Im Verfahrenskomplex Commerzialbank ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gemeinsam mit der SOKO Commerz und dem Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) zudem derzeit weiterhin gegen 35 Beschuldigte, darunter neun Verbände unter anderem wegen gewerbsmäßig schweren Betruges, Untreue, Betrügerischer Krida, Bilanzfälschung, Geldwäscherei sowie wegen diverser Korruptionsvorwürfe. Alleine im Stammverfahren wird noch gegen 14 natürliche Personen und acht Verbände ermittelt.
Insgesamt sind im Commerzialbank-Komplex neben dem Stammverfahren derzeit fünf weitere Verfahren offen. Der Akt besteht mittlerweile aus 62 Bänden mit rund 2.200 Ordnungsnummern. Es wurden Daten im Ausmaß von 80 Terabyte sichergestellt, die teilweise noch ausgewertet werden. Zu den übrigen Faktenkreisen laufen die Ermittlungen noch. So sind etwa noch das Hauptgutachten sowie Gutachten zu weiteren Teilbereichen offen, hieß es am Montag.