Es soll der letzte einer langen Reihe von Gerichtsterminen sein im Tauziehen um die Zukunft des chinesischen Immobilienriesen China Evergrande. Am Montag könnte die Entscheidung fallen, ob das höchstverschuldete Immobilienunternehmen der Welt tatsächlich liquidiert wird. Zwei Insidern zufolge hat sich in dieser Woche eine einflussreiche Gruppe von Anleihegläubigern auf die Seite derer geschlagen, die eine Abwicklung des strauchelnden Konzerns befürworten.
Anwälte halten es nun für wahrscheinlicher, dass Richterin Linda Chan vom Obersten Gericht in Hongkong die Liquidation beschließt. Die Gläubigergruppe hält Auslandsanleihen von China Evergrande im Wert von 2 Mrd. Dollar (1,8Mrd. Euro).
Umschuldungsplan geplatzt
Fast zwei Jahre hatte die Gruppe, zu der auch mehrere Hedgefonds gehören, mit China Evergrande um eine Umschuldung der 23 Milliarden Dollar gerungen, die der Immobilienentwickler sich auf den internationalen Märkten geliehen hat. Doch Ende 2021 musste er einräumen, dass er die Schulden nicht bedienen und tilgen kann. Beraten wird die Gruppe von der Investmentbank Moelis & Co. Insgesamt ist China Evergrande mit 300 Milliarden Dollar verschuldet, bei Vermögenswerten von 240 Milliarden Dollar - daraus ergibt sich eine Überschuldung von 60 Mrd. Dollar.
Der ursprüngliche Umschuldungsplan war im September geplatzt, nachdem Ermittlungen gegen Firmengründer Hui Ka Yan bekannt wurden. Der Gläubigerausschuss hatte auch den neuesten, quasi in letzter Minute vor einer Anhörung Anfang Dezember vorgelegten Restrukturierungsplan abgelehnt. Schon damals drohte er, dass im Jänner die Liquidation drohe, wenn Evergrande bis dahin nicht mit einer für alle Gläubiger akzeptablen Lösung um die Ecke komme. Auch Richterin Chan hatte angekündigt, dass beim nächsten Mal eine Entscheidung fallen müsse - und klargemacht, dass sie die Abwicklung beschließen werde, wenn es keinen „konkreten“ Sanierungsplan gebe.
Die nächsten Schritte
Wenn sie ihre Ankündigung wahr macht, würde erst ein vorläufiger und danach ein offizieller Abwickler für Evergrande bestellt, der einen Verkauf der Vermögenswerte vorbereitet, um damit die Schulden zu tilgen. Aber auch er könnte noch einen neuen Sanierungsplan vorlegen. China Evergrande könnte den Beschluss zur Abwicklung zwar anfechten, aufhalten kann das Unternehmen den Prozess damit aber nicht. Aufgabe des Abwicklers ist es auch, mögliches Fehlverhalten der Evergrande-Manager an die Hongkonger Behörden zu melden.
Schlechte Chancen für Gläubiger
Die Aussichten für die Gläubiger sind aber gering: Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte haben laut Evergrande eine Quote von 3,4 Prozent errechnet, wenn das Unternehmen abgewickelt wird. Angesichts der Ermittlungen gegen Hui Ka Yan erwarten die Gläubiger mittlerweile aber, dass sie eher weniger als drei Prozent ihres Einsatzes zurückbekommen. Die Dollar-Anleihen von Evergrande werden mit weniger als einem Prozent des Nennwertes gehandelt. Denn die meisten Vermögenswerte sind entweder schon verkauft oder von den Banken gepfändet. Und Käufer für die beiden in Hongkong börsennotierten Töchter Evergrande Property Services und Evergrande New Energy Vehicle dürften schwer zu finden sein.
Die Hürden
Die schwierigste Aufgabe für den Abwickler dürfte es aber sein, die Beteiligungen in China selbst unter seine Kontrolle zu bekommen, indem er dort jeweils das Management austauscht. Das könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern. Denn Guangzhou, wo China Evergrande seinen Sitz hat, erkennt Liquidationsbeschlüsse aus Hongkong nicht automatisch an. Außerdem sind zahlreiche dieser Firmen bereits in der Hand ihrer Gläubiger, ihre Vermögenswerte von Gerichten eingefroren - andere sind schon pleite. Angesichts der Größe von Evergrande dürften viele Behörden und Politiker hier ein Wort mitreden wollen. Einig sind sie sich nur in einem: Vorrang vor allem anderen habe es, die halbfertigen Häuser und Wohnungen fertigzubauen.