Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S schlägt in seiner Unternehmensgeschichte ein neues Kapitel auf. In dem am Mittwoch eröffneten neuen Werk in Kulim in Malaysia wird AT&S für den US-Prozessorenhersteller AMD eine neue Produktgeneration fertigen. „Das Werk ist das Ergebnis einer großartigen Kooperation, die während der Pandemie begonnen hat“, so AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer. Damals waren globale Lieferketten in die Brüche gegangen, was in vielen Industrien zu enormen Problemen geführt hatte. Die wirtschaftlichen Vorzeichen sind auch jetzt schwierig: Aufgrund weltweit sehr schwacher Nachfrage hatte AT&S erst am Freitag bekannt gegeben, die ursprünglich geplanten Umsätze nicht zu erreichen.
Gerstenmayer schob 2020 für die Zusammenarbeit mit AMD in extrem kurzer Zeit die größte Einzelinvestition der AT&S an. Etwas mehr als eine Milliarde floss bisher nach Kulim. Ursprünglich hätten es sogar 1,7 Milliarden Euro auf einen Schlag sein sollen. Weil Kriege und schlechte Wirtschaftsaussichten den Konsum stark gedämpft haben, wird vorerst nur das erste Werk in Betrieb genommen. Das zweite ist als Gebäude fertig, „on hold“, so Gerstenmayer, es fehlt aber noch das gesamte Innenleben. Es ist sogar um ein Viertel größer als das erste.
AMD-Fertigung als großer Schritt
Für AT&S dürfte die Fertigung für AMD (Advanced Micro Devices) trotzdem ein großer Schritt sein, denn der mächtige Intel-Konkurrent will in den nächsten Jahren mit „disruptiven“ Technologien rasant weiterwachsen, vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz. Die werde in Kürze in Alltagsgeräte wie Computer, aber auch Smartphones Einzug halten, erklärte AMD-Top-Manager Scott Aylor, der eigens aus den USA zur Eröffnung anreiste. Den Steirern streut Aylor im Gespräch mit der Kleinen Zeitung Rosen: „Die sind technologisch top.“ AMD benötige für seine Pläne „Leadership-Technologie“. Konkret geht es dabei um die neueste Generation IC-Substrate von AT&S, mit denen Chips paketiert werden. Weil AMD neuartige Chips entwickelt hat – „Chiplets“ –, will der Konzern bisher übliche Paketierungsmuster aufbrechen und mit neuer Anordnung günstigere und leistungsfähigere Prozessoren herstellen. Aylor: „Dafür brauchen wir den richtigen Partner.“
Die Werke erstrecken sich im Kulim High Tech Park über eine Länge von mehr als einem Kilometer. Spatenstich war im Herbst 2021, die Standortsuche passierte mitten in der schlimmsten Phase der Pandemie, berichtet AT&S-Vorstand Ingolf Schröder. 600 Maschinen seien bereits installiert. Aktuell habe man etwas mehr als 1000 Mitarbeiter, langfristig können in beiden Werken 6000 Menschen beschäftigt werden.
Für AT&S waren die IC-Substrate in den vergangenen Jahren der wichtigste Wachstumstreiber. Produziert werden die gängigen Typen im chinesischen Chongqing. Der Standort sei aber nun voll investiert, so Gerstenmayer. Strategisch sei eine Diversifizierung notwendig gewesen. Die Substrate-Entwicklung zieht die AT&S gleichzeitig nach Leoben, wo deshalb auch gerade eine neue Produktion für Substrate-Kleinserien hochgezogen wird.
Start des zweiten Werks noch völlig offen
Wann in Kulim das zweite Werk aus dem Dornröschenschlaf geholt werden kann, ist völlig offen. Aktuell ist die AT&S eher damit beschäftigt, die durch die Mega-Investition strapazierte Eigenkapitalbasis über eine Kapitalerhöhung wieder deutlich zu verbessern. Eine Variante ist ein Einstieg der Staatsholding Öbag mit 25 Prozent plus einer Aktie. Entscheidungen gibt es noch keine.
Kulim in Malaysia ist ein weltweit bekannter Standort der Elektronikindustrie. Im Kulim High Tech Park sind 46 Unternehmen angesiedelt, darunter viele Größen der Branche wie AMD, Intel, Infineon, Osram, Texas Instruments, Bosch, Clarion, Hitachi oder Hewlett Packard. „Es gibt hier sehr ineinander verwobene Wertschöpfungsketten“, so der Wirtschaftsdelegierte des Außenwirtschaftscenters Kuala Lumpur, Reinhart Zimmermann. Aktuell arbeiten in Kulim rund 34.000 Menschen. Die meisten Unternehmen weiten ihre Aktivitäten derzeit aus, darunter auch die in Österreich vertretenen Branchengrößen Infineon und Osram.
Die Teilnahme an der Reise nach Malaysia erfolgte auf Einladung der AT&S.