Der ehemalige Chef der Commerzialbank Mattersburg, Martin Pucher, wurde am Dienstag am Landesgericht Eisenstadt in einem ersten Prozess nach der Pleite der Bank im Sommer 2020 nicht rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe von elf Monaten verurteilt. Ex-Vorständin Franziska Klikovits erhielt acht Monate bedingt, ein Ex-Mitarbeiter, der die beiden um 70.000 Euro erpresst haben soll, 16 Monate bedingt. Pucher war aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht anwesend.
Verhandelt wurde ein Teilaspekt der Pleite. Der Ex-Mitarbeiter, der eine führende Funktion in der Commerzialbank hatte, soll bemerkt haben, dass mit den Krediten etwas nicht stimmen könne. Als er 2017 die Bank nach einem Streit mit Klikovits verlassen wollte, soll er von Pucher 70.000 Euro gefordert haben – „so etwas wie Schweigegeld“, meinte der Staatsanwalt. Klikovits habe das Geld aus den Mitteln der Bank vorbereitet und der Bankchef habe es in einem Kuvert an den Ex-Mitarbeiter übergeben, hieß es in der Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Fake-Kredite seien ein wesentlicher Bestandteil der jahrelangen Malversationen in der Bank gewesen.
Drei Schuldsprüche
Pucher und Klikovits zeigten sich zum Vorwurf der Veruntreuung geständig. Der erstangeklagte Mitarbeiter bestritt, die beiden erpresst zu haben. Das Schöffengericht sprach jedoch alle drei schuldig. Der Ex-Mitarbeiter wurde neben der bedingten Haftstrafe auch zu einer Geldstrafe von 9600 Euro verurteilt. Zudem muss er die 70.000 Euro an den Masseverwalter der Bank zahlen. Die Probezeit beträgt bei allen drei Jahre. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
„Es ist symptomatisch, dass selbst das Schweigegeld nicht aus dem Privatvermögen von Pucher gezahlt wurde, sondern auch da musste die Commerzialbank herhalten“, betonte der Staatsanwalt. Das Bargeld habe der Mitarbeiter zusätzlich zu einem Golden Handshake von rund 200.000 Euro brutto erhalten. Auf seinem Konto seien in zeitlicher Nähe zur Übergabe auch hohe Bargeldeinzahlungen verzeichnet worden.
„Racheaktion“ des Bankchefs
Pucher, der sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt habe, bleibe bei seiner geständigen Verantwortung, erläuterte Richterin Karin Lückl. Er sei mit der Verhandlung und Aburteilung betreffend seiner Person in seiner Abwesenheit einverstanden und entschuldige sich für die durch Malversationen entstandenen Schäden. Auch Klikovits bekannte sich wegen Beitrags zur Veruntreuung schuldig. Der Ex-Mitarbeiter, dem Erpressung und Bestimmung zur Veruntreuung vorgeworfen wird, bestritt sämtliche Vorwürfe.
Die Aussagen des ehemaligen Bankchefs und der Vorständin, die ihn belasten, seien nicht glaubwürdig. „Sowohl Klikovits als auch Pucher haben über Jahrzehnte gelogen und betrogen. Warum sollte sich das jetzt ändern?“, meinte der Verteidiger des Ex-Mitarbeiters. Er gehe von einer „Racheaktion“ des Bankchefs aus, der ein „kleiner Diktator“ gewesen sei und ihm übel genommen habe, dass er gekündigt habe.
Vorwurf von jahrelangem Mobbing
Der ehemalige Mitarbeiter – er war unter anderem Filialleiter und Prokurist – bestritt, Pucher bei seinem Ausscheiden aus der Bank erpresst zu haben. Mit ihm habe er Mitte Dezember 2017 lediglich über die Modalitäten für die Beendigung des Dienstverhältnisses wie etwa die Abfertigung gesprochen, betonte er. Der Angeklagte bestritt auch, dass er von verdächtigen Vorgängen in der Bank etwas mitbekommen oder einen Verdacht gegenüber Kollegen dazu geäußert habe. Zu den Kreditverträgen könne er keine Angaben machen, in diese habe er keine Einsicht gehabt.
Gekündigt habe er in dem Institut, da es davor jahrelanges Mobbing durch den Vorstand gegeben habe. Konkreter Auslöser sei dann ein nicht genehmigter Urlaub und eine Verwarnung durch Klikovits gewesen, erklärte er. In einem Gespräch mit Pucher, bei dem es unter anderem um diese Verwarnung gegangen sei, habe sich dieser sogar auf seine Seite gestellt, räumte der Angeklagte ein. Pucher sagte dabei laut der Richterin: „Die da drüben (Klikovits, Anm. der Red.) soll scheißen gehen.“ Seinen Chef beschrieb der frühere Filialleiter als „schwierig“ und eine Person, die keinen Widerspruch geduldet habe. Dem Ex-Angestellten wurde vorgehalten, dass er in zeitlicher Nähe zur Beendigung des Dienstverhältnisses 57.000 Euro in bar eingezahlt habe. Dieses Geld sei unter anderem aus Goldverkäufen gekommen, erklärte der Angeklagte.
Ex-Filialleiter widerspricht
Lückl verlas Aussagen aus Puchers Vernehmung. Demnach erklärte Pucher, dass der nun Angeklagte neben seiner Abfertigung 70.000 bis 90.000 Euro in bar, die Klikovits aus dem nicht-realen Geldkreislauf entnommen habe, gefordert und bekommen habe. Dabei soll ihn der Ex-Mitarbeiter auf Auffälligkeiten bei Krediten angesprochen haben, was er im Rückblick als „Erpressung“ wahrgenommen hat. In einem weiteren Gespräch habe ihm der Angeklagte erklärt, dass er auffällige Vorgänge dokumentiert habe und Pucher aufpassen müsse, nicht im Gefängnis zu landen. Der ehemalige Filialleiter widersprach diesen Angaben.
Klikovits gestand, dass sie die 70.000 Euro für den Mitarbeiter vorbereitet habe. Sie sei dabei, die Malversationen „schonungslos offenzulegen“, sagte ihr Anwalt. Es gebe keinen Grund, weshalb sie den Mitarbeiter zu Unrecht belasten sollte. Die Summe von 70.000 Euro sei im Vergleich zum Gesamtschaden in der Commerzialbank gering. „Das ist, als hätte man 1.000 Euro ausgegeben und würde dann gefragt, wofür diese zehn Cent waren“, so der Verteidiger.
Bankchef, Kuvert, SVM-Cafe
In ihrer Befragung bestätigte Klikovits, dass Pucher sie bat, 70.000 Euro zu besorgen: „Damit er (der Ex-Mitarbeiter, Anm. der Red.) sein Wissen für sich behält.“ Den Betrag übergab sie dem ehemaligen Bankchef in einem Kuvert, das er wiederum im SVM-Cafe dem mutmaßlichen Erpresser aushändigte. Sie selbst sei bei der Übergabe nicht dabei gewesen. Pucher sei „sehr angespannt“ gewesen und es sei ihm wichtig gewesen, dass sie die Summe beschafft. Den ehemaligen Bankvorstand sah sie das letzte Mal am 14. Juli 2020 – der Tag, an dem das Institut geschlossen wurde. Wer die anonyme Anzeige 2015 erstattet hatte, konnte Klikovits nicht einschätzen. Dass es sich beim Whistleblower um den heute Erstangeklagten handelte, glaubt sie nicht, da dieser ja ein „Profiteur des Systems Pucher war“.
Befragt wurde am Nachmittag unter anderem ein ehemaliger Botenfahrer der Commerzialbank, auf dessen Mobiltelefon Fotos aus Puchers Büro sichergestellt wurden. Der Zeuge erklärte, dass er als Erster in der Früh immer einen Rundgang gemacht habe und aus Neugier Bilder von diversen Unterlagen angefertigt habe. Dem wegen Erpressung Angeklagten habe er diese nicht geschickt, nur seiner Ehefrau, so der Zeuge.
Eine ehemalige Vorstandssekretärin beschrieb das Verhältnis zwischen Pucher und Klikovits: „Sie haben zu der Zeit miteinander nichts gesprochen. Zetteln wurden hinterlegt.“ Auch ihr Verhältnis zu den beiden Vorgesetzten sei „nicht das allerbeste“ gewesen, sie sei mit „Magenweh“ in die Arbeit gegangen.