Der skandalumwitterte Mund-Nasen- und FFP2-Schutzmasken-Produzent Hygiene Austria mit Sitz in Wiener Neudorf hat Insolvenz angemeldet. Über die 100-Prozent-Tochter des Wäscheherstellers Palmers wurde am Landesgericht Wiener Neustadt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, wie der Gläubigerschutzverband KSV1870 am Montag bekanntgab. 5,2 Mio. Euro Schulden verteilen sich demnach auf 30 Gläubiger. Es gebe nur (noch) einen von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiter.
„Die Aktiva müssen erst im Rahmen des Sanierungsverfahrens ermittelt werden“, sagte Insolvenzexpertin Brigitte Dostal zur APA. Es gebe noch ein Warenlager, aber dessen Bewertung stehe noch aus. Die Firma will das Unternehmen nach einer Sanierung in reduziertem Umfang fortführen und den Gläubigern die gesetzliche Mindestquote von 20 Prozent ihrer Forderungen binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplans zahlen. Ob das möglich ist, steht noch nicht fest. „Erst konkrete Überprüfungen werden zeigen, ob die Entschuldungsbestrebungen in Form des vorliegenden Sanierungsplanantrages ohne weiteren Schaden für die Insolvenzgläubiger realisiert werden können“, so Dostal.
Die Schuldnerfirma Hygiene Austria LP GmbH wurde gleich zum Start der Covid-19-Pandemie im März 2020 gegründet. Alleineigentümerin ist die Palmers Textil AG. „Im Jahr 2021 und 2022 stand das Unternehmen im Blickpunkt medialer Berichterstattung“, erinnert der Kreditschutzverband. Der FFP2-Maskenskandal rund um Hygiene Austria und Palmers erregte großes Aufsehen.
Heftige Kritik
Ursprünglich war das Unternehmen zur Masken-Produktion in Österreich als Joint Venture von Lenzing und Palmers gegründet worden. Nach außen präsentierte sich die Hygiene Austria als Unternehmen mit Produkten „made in Austria“, empfing Betriebsbesuche von hochkarätig besetzten Politikerdelegationen und erhielt umfangreiche Staatsaufträge. Später wurde bekannt, dass Masken aus China verkauft wurden. Gegen Ende der Pandemie erschütterte das Unternehmen zudem ein Finanzskandal - im Sommer 2022 berichtete die Tageszeitung „Der Standard“ über bis dahin „öffentlich nicht bekannte, schwere Vorwürfe“ betreffend „fortgesetzter Steuerhinterziehung in großem Ausmaß unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege“. Mindestens 693.000 Euro an Zoll und Einfuhrumsatzsteuer soll Palmers demnach beim Import von Schutzmasken aus China via Palmers Deutschland hinterzogen haben. Palmers und Hygiene Austria wiesen die Vorwürfe zurück. Außerdem wurde ein entsprechendes Ermittlungsverfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft im April 2023 eingestellt, wie Volkert Sackmann, Anwalt des ehemaligen Hygiene-Austria-Geschäftsführers Tino Wieser, am Montagabend der APA mitteilte.
Die Insolvenz sorgte für heftige Kritik seitens der FPÖ: „Zahlreiche ÖVP-Politiker, darunter der damalige Kanzler Kurz und Minister, haben sich bei Betriebsbesuchen groß in Szene gesetzt und medienwirksam ablichten lassen“, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker laut einer Aussendung des Freiheitlichen Parlamentsklubs. „Dazu bekam die Hygiene Austria als Profiteur der komplett verfehlten Corona-Zwangspolitik etliche Staatsaufträge.“
„Massive Umsatzeinbrüche“
Als Insolvenzursache gibt die Hygiene Austria als Schuldnerin nun „massive Umsatzeinbrüche aufgrund des Auslaufens der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen, erheblichen Rückgang bei der Abnahme von Gesichtsmasken sowie diverse anhängige Gerichtsprozesse“ an.
„Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können“, betonte Dostal. „Das Sanierungsplanangebot wird einer strengen Überprüfung standhalten müssen, damit der vorgelegte Zahlungsvorschlag die Akzeptanz der Gläubiger finden wird.“
Forderungen können den Angaben zufolge ab sofort über den Kreditschutzverband KSV1870 angemeldet werden (ins.forderungen@ksv.at). Die Anmeldefrist endet am 21. März 2024. Die erste Prüfungs-, Berichts- und Sanierungsplansatzung findet am 4. April statt. Als Insolvenzverwalterin fungiert die Mödlinger Rechtsanwältin Romana Weber-Wilfert.