Nicht nur die Metallbranche und der Handel können öffentlichkeitswirksam um den Kollektivvertrag streiten. Nach harten Herbstrunden wurde es zuletzt ruhig um diverse KV-Verhandlungen, in dieser Woche aber flammen neue Konflikte auf. Am Mittwoch ruft die Gewerkschaft GPA die Beschäftigten der IT-Branche zum Protest vor der Wirtschaftskammer in Wien auf. Seit sechs Verhandlungsrunden einigen sich die Sozialpartner nicht – es geht immerhin laut GPA um rund 90.000 Beschäftigte in Österreich.
Es sei nicht einzusehen, sagt Sandra Steiner, Verhandlerin der GPA, zur Kleinen Zeitung, dass sich die Branche mit einem Abschluss unter der Jahresinflation abfinden solle, „wir sind keine Krisenbranche und haben nicht zu wenig Auslastung“. Basis der Verhandlungen ist eine Teuerung von 7,75 Prozent, die Gewerkschaft ging zu Beginn mit einer 9,75-Prozent-Forderung in die Gespräche, die Arbeitgeber hingegen legten anfangs gar kein Angebot vor. Das dürfte beide Seiten überfordert haben – klimatisch. „Das war kein guter Start“, sagt Martin Zandonella, Kärntner IT-Unternehmer und Bundesspartenobmann in der WKO, übt damit aber vor allem Kritik an der Forderung der Arbeitnehmervertreter. „Warme Eislutscher können wir nicht liefern“, sagt er und wirft der Gewerkschaft eine „flache Argumentation“ vor. Umgekehrt sprach die GPA von einer „destruktiven Verhandlungsweise“ der Arbeitgeber.
Vor der Aktion am Mittwoch steht es also mit der Atmosphäre nicht zum Besten, obwohl es beide Seiten noch tunlichst vermeiden, den Streit eskalieren zu lassen. Auch auf Nachfrage will Sandra Steiner das Wort „Streik“ nicht in den Mund nehmen und Zandonella betont im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: „Ich will kein Öl ins Feuer gießen.“ Die Hoffnungen der Verhandler konzentrieren sich nämlich auf den Donnerstag, an dem zum siebenten Mal seit Herbst verhandelt wird. Der KV soll rückwirkend mit 1. Jänner gelten, im Vorjahr einigte man sich erst am 1. Februar. Übrigens auf im Schnitt 8,8 Prozent Plus.
So weit liegen die Verhandler auseinander
Die aktuellen Positionen liegen noch weit auseinander. Die Gewerkschaft ging auf 9,2 Prozent KV-Plus und auf 8,8 Prozent Erhöhung der Ist-Gehälter herunter, die Arbeitgeber bieten derzeit 7,25 Prozent KV- und 6,25 Prozent Ist-Erhöhung an. „Wir wollen die Inflationsrate und einen Aufschlag“, erklärt Steiner, fordert Wertschätzung ein und führt „mentale Belastungen“ wie die ständige Erreichbarkeit und eine hohe Arbeitsverdichtung ins Treffen. Einerseits habe die Pandemie zu einem Digitalisierungsschub geführt, andererseits fehlen dem Sektor tausende Fachkräfte – laut letzter Erhebung vor zwei Jahren knapp 28.000. Davon etwa fällt die Hälfte in den IT-KV. Immer mehr IT-Fachkräfte arbeiten in anderen Sektoren, etwa in der Industrie.
Ist-Gehälter sind der Knackpunkt
„Die Branche hat sich bei der Mitarbeiterzahl in den letzten zehn Jahren verdoppelt – gegen den demografischen Trend. IT-Unternehmen sind also attraktive Arbeitgeber“, hält Zandonella dagegen. Knackpunkt in den Verhandlungen sei nicht die KV-Erhöhung, betont er, sondern das Plus auf Ist-Gehälter. In der IT ist nämlich eine KV-Überzahlung (Einstieg bei 2223 Euro brutto) weit verbreitet. Die geltende Regelung im KV, wonach Ist-Gehaltserhöhungen auf betrieblicher Ebene zu verhandeln sind, wolle die Gewerkschaft aushebeln, indem sie eine generelle Erhöhung der Überzahlungen fordert. „Das ist kein geeignetes Modell in einer agilen Branche“, wischt Zandonella dies vom Tisch. Dazu Steiner: „Die IT-Branche profitiert von der Digitalisierung und die Beschäftigten haben sich Sicherheit und Planbarkeit verdient.“
Dass es den IT-Unternehmen so gut gehe, lässt indes Zandonella nicht gelten. Hohe Gehaltssteigerungen schlagen sich auf die Softwareentwickler, größte Gruppe in der Branche, unmittelbar nieder. Deren Personalkostenanteil mache 80 Prozent aus, „das muss man auf dem Markt erst einmal unterbringen. Die Konkurrenz befindet sich oft im Ausland mit niedrigeren Inflationsraten und Gehaltsabschlüssen.“ Zudem seien Industrie und exportorientierte Unternehmen häufige Besteller der IT-Dienstleistungen, diese Sektoren leiden aber unter der gegenwärtigen Konjunkturschwäche.