Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus hat seinen kriselnden Konkurrenten Boeing 2023 erneut weit hinter sich gelassen. Trotz angespannter Lieferketten übergab der europäische Hersteller 735 Verkehrsflugzeuge an seine Kunden, wie er am Donnerstagabend in Toulouse mitteilte. Das waren über 200 mehr als Boeing und 15 mehr als von Airbus-Chef Guillaume Faury angepeilt.
Dank der Erholung des Luftverkehrs von der Corona-Krise holte der Konzern zudem Bestellungen über mehr als 2000 Jets ein - und stellte damit einen Branchenrekord auf. Auch der Auftragsbestand erreichte mit fast 8600 Flugzeugen einen Rekordwert.
2022 Probleme bei Bauteilen
Noch im Vorjahr hatte Airbus sein Auslieferungsziel wegen knapper Bauteile wie Sitzen und Triebwerken zweimal gekappt und letztlich nur 661 Jets ausgeliefert. Für 2023 hatte Faury deshalb vergleichsweise vorsichtig geplant. Die Zielmarke von 720 Maschinen hatte er ursprünglich schon 2022 erreichen wollen.
Dass es dieses Mal besser lief, begründete der Manager mit einer größeren Flexibilität und Leistungsfähigkeit von Airbus und seinen Zulieferern. Der Auslieferungsrekord von 863 Maschinen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 ist jedoch noch ein ganzes Stück entfernt. Nachdem Airbus und Boeing ihre Flugzeugproduktion in der Corona-Krise stark gedrosselt hatten, würden sie diese inzwischen gern schneller wieder hochfahren. Engpässe bei Zulieferern und fehlende Arbeitskräfte in Teilen der Branche machen es ihnen jedoch schwer.
An Aufträgen mangelt es nicht
An Aufträgen mangelt es jedenfalls nicht. Allein im vergangenen Jahr sammelte Airbus Bestellungen über 2.319 neue Passagier- und Frachtjets ein. Nach Abzug von Stornierungen waren es 2.094 Stück, weit mehr als doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. So viele Aufträge hatten weder Airbus noch sein einzig relevanter Rivale Boeing je zuvor in einem Jahr verbucht.
„Ursprünglich gingen wir davon aus, dass sich der Luftverkehr irgendwann zwischen 2023 und 2025 erholen würde“, sagte Christian Scherer, seit kurzem Chef der Airbus-Verkehrsflugzeugsparte. Allerdings sei neben dem Bedarf an Mittelstreckenjets auch die Nachfrage nach Großraumflugzeugen für die Langstrecke viel früher zurückgekehrt als erwartet.
Airbus-Mittelstreckenjets gefragt
Airbus‘ Auftragsbestand wuchs binnen Jahresfrist von 7239 auf 8598 Verkehrsmaschinen. Der Anstieg entspricht fast der doppelten Jahresproduktion. Konkurrent Boeing holte im vergangenen Jahr netto 1.314 Neubestellungen herein und hatte zum Jahreswechsel noch 6216 Jets offene Aufträge im Bestand. Vor allem die Airbus-Mittelstreckenjets aus der A320neo-Familie sind so stark gefragt, dass die Produktion auf Jahre hinaus ausgebucht ist. Im vergangenen Jahr entfielen fast 80 Prozent der ausgelieferten und bestellten Airbus-Maschinen auf diese Modellreihe. Hinzu kamen 96 Großraumjets, darunter 64 A350 und 32 A330neo, sowie 68 Exemplare des kleinsten Airbus-Modells A220.
Boeing als Branchengrößten abgelöst
Schon vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 hatte der Hersteller aus Europa seinen Konkurrenten Boeing als größten Flugzeugbauer der Welt abgelöst. Da war der US-Konzern nach dem Absturz zweier Mittelstreckenjets aus der 737-Max-Reihe in die schwerste Krise seiner Geschichte geraten. Zunächst durfte der Flugzeugtyp mehr als eineinhalb Jahre lang weltweit weder starten noch ausgeliefert werden. Nachdem er nach aufwendigen technischen Verbesserungen während der Pandemie wieder die Freigabe erhalten hatte, warfen Produktionsfehler und andere Mängel bei diesem und anderen Modellen den Hersteller weiter zurück.
So dürfen seit vergangenem Wochenende mehr als 170 Mittelstreckenjets der Version Boeing 737 Max 9 weltweit nicht abheben, nachdem bei einem Flug von Alaska Airlines ein Rumpfteil im Flug herausgesprungen war. Die Passagiere waren dabei nur knapp einem Unglück entgangen. Jetzt müssen alle Flugzeuge überprüft werden, bei denen wie bei der Alaska-Airlines-Maschine ein nicht benötigter Notausgang mit einem festen Rumpfteil verschlossen ist.