Dass die steirische Industrie für den Wirtschaftsstandort eine gewichtige Rolle spielt, ist freilich kein Geheimnis. Mehr als ein Drittel der im Bundesland erzeugten Wertschöpfung kommt aus dem produzierenden Sektor, drei Viertel der steirischen Ausgaben für Forschung und Entwicklung leisten Industriebetriebe.

Auch deswegen ist der alljährliche Befund des Industriepräsidenten beim traditionellen Neujahrsempfang der IV Steiermark zweifelsohne relevant. Am Mittwochabend zeigt sich Stefan Stolitzka gleich zu Beginn der Veranstaltung skeptisch, ob das Superwahljahr 2024 – mit Landtagswahl, Nationalratswahl, Europawahl und vielen weiteren globalen Wahlgängen – auch ein „super Wahljahr“ werden wird. Zu tun habe das primär mit der Erkenntnis, dass die „politische Mitte wegbricht“. Stolitzka: „Das bereitet mir Kopfzerbrechen.“ Vor allem mit Blick auf drei „historische Transformationen“, die der IV-Chef dieser Tage ausmacht: „Die grüne, die digitale und eine geopolitische.“ Allesamt wären sie „epochale Herausforderungen“.

Und Stefan Stolitzka stellt das Meistern dieser infrage. „So, wie wir die grüne Transformation gerade umsetzen, bezweifle ich, ob wir sie erstens erfolgreich gestalten und ob wir so, zweitens, unseren Wohlstand nicht massiv gefährden“, sagt er an diesem Abend etwa. Die Handlungsebene sei in diesem Fall noch immer „ideologisch geprägt“ und nicht „sach- und zielorientiert“. Stolitzka vermisst Lösungsorientiertheit und Technologieoffenheit. Auch in einem „Teil der Regierung“.

Dieser Teil sei es auch, Stolitzka spricht recht unverhohlen die Grünen an, der „das Klimaschutzgesetz als Faustpfand in verschiedene Verhandlungen einbringt“. Für Stolitzka ist das geplante Gesetz ein Affront. Es würde die „Investitionstätigkeit in Österreich sehr rasch stoppen“. Frage man die Industriellenvereinigung nach der „roten Linie“ bei diesem Gesetz, falle die Antwort leicht. Stefan Stolitzka: „Das Klimaschutzgesetz an sich ist die rote Linie“.

Überhaupt missfällt dem Industriellen die vorherrschende politische Kultur. Das „aktuelle Niveau der Auseinandersetzung im Nationalrat“ nennt Stolitzka gar einen „Tiefpunkt, den ich persönlich in diesem Zusammenhang beobachten musste“. Wohlwollendere Worte findet der IV-Präsident indes für die Landespolitik. Dieser traue er „unendlich viel mehr zu als ihren Kolleginnen und Kollegen auf anderen politischen Ebenen“. 

Weichenstellungen und Sorgenfalten

Unverständnis äußert der Industrielle mit Blick auf die abgeschlossenen Lohnverhandlungen. Diese brachten nach langem Hin und Her in der metalltechnischen Industrie schlussendlich ein Lohnplus von 8,6 Prozent. Ja, eine „Weichenstellung“, bezieht sich Stolitzka auf ein von der Gewerkschaft gebrauchtes Wort – „allerdings nicht in eine gute Zukunft“.

Für Sorgenfalten beim Industrie-Chef sorgt auch ein weiter eingetrübtes konjunkturelles Umfeld. So stieg die Arbeitslosigkeit 2023 in der Steiermark im Jahresvergleich um durchschnittlich 5,4 Prozent. Neben dem Bau gilt die Industrie als besonders konjunktursensibel. Fiel die Erholung früherer Jahre in diesen Segmenten besonders stark aus, stieg im vergangenen Jahr dort wiederum die Arbeitslosigkeit mit 7,6 beziehungsweise 7,9 Prozent überproportional stark.

In Summe gehe „die standortpolitische Leidensfähigkeit vieler Unternehmen dem Ende zu“, konstatiert der steirische IV-Präsident. Der abschließend aber betont, kein ausschließlich düsteres Bild zeichnen zu wollen. Stolitzka appelliert an Politikerinnen und Politiker, „einen gemeinsamen Weg der politischen Mitte zu finden, um ein Wegbrechen der gesellschaftlichen Mitte zu verhindern“. Das könne Österreich „insgesamt festigen“.