Die schrittweise Anhebung des Frauenpensionsalters ab 2024 hat positive Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Im kommenden Jahr wird es dadurch gut 22.000 zusätzliche Personen in Beschäftigung geben, bis 2028 sind es insgesamt rund 100.000 mehr, wie AMS-Chef Johannes Kopf im Gespräch mit der APA vorrechnete. Parallel dazu dürfte der spätere Pensionsantritt auch den Arbeitskräftemangel lindern – sofern die Unternehmen das steigende Angebot nützen.
Mit der schon vor mehr als 30 Jahren getroffenen und heuer konkretisierten Regelung wird das Regelpensionsalter für Frauen ab dem kommenden Jahr stufenweise an jenes der Männer angeglichen. 2024 sind erstmals weibliche Versicherte betroffen, die zwischen 1. Jänner und 30. Juni 1964 geboren wurden. Sie können erst mit 60,5 Jahren in Pension gehen. Für die Geburtsstichtage 1. Juli bis 31. Dezember 1964 erhöht sich das Regelpensionsalter auf 61 Jahre. Bis 2033 steigt die Altersgrenze dann sukzessive auf 65 Jahre.
Der spätere Pensionsantritt hat zur Folge, dass viele ältere Frauen länger arbeiten und damit mehr Arbeitnehmerinnen am Arbeitsmarkt bleiben. Das führt zu einem Ausgleich, weil das Arbeitskräfteangebot unter inländischen Personen ohne die Regelung gesunken wäre, erklärte Kopf. Der Beschäftigungseffekt hängt also auch mit der demografischen Entwicklung zusammen: Die Alterung der Gesellschaft schreitet voran, wodurch es in Österreich immer mehr ältere als jüngere Personen im Erwerbsalter gibt.
Darüber hinaus schaffen mehr Beschäftigte aus Sicht der Betriebe auch Raum für zusätzliche Aufträge und damit höhere Erlöse. „Die zusätzlichen Frauen in den Betrieben führen auch dazu, dass Betriebe mehr Aufträge annehmen (...), oder der Handel mehr verkauft, weil dort mehr erfahrene Verkäuferinnen arbeiten“, erklärte der AMS-Vorstand. Das belebt nicht nur die Konjunktur, es entstehen auch neue Jobs. Letztlich dürfte die Regelung daher einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten, erwartet Kopf.
Ein zusätzlicher Effekt bzw. Chancen für Unternehmen ergeben sich laut dem AMS-Chef durch den Umstand, dass viele Stellen mit der Regelung nun erst später nachbesetzt werden müssen: Die länger arbeitende Frau, für die erst zu einem ferneren Zeitpunkt Ersatz gesucht werden muss, eröffnet die Möglichkeit für weitere Betriebe, verfügbare Arbeitskräfte – in der Regel jüngere Frauen – anzuwerben. Meist handle es sich dabei um Personen, die einen Wiedereinstieg ins Berufsleben anstreben.
Auch jetzt schon einige Frauen um die 60 ohne Arbeit
Auf der Kehrseite erhöht sich durch die Anhebung des Frauenpensionsalters auch die Zahl der Arbeitslosen, wenn im Vergleich zu den Beschäftigten auch in geringerem Ausmaß. „Es gibt immer, wenn wir mehr Beschäftigte haben, auch mehr Arbeitslosigkeit, da es Jobwechsel und saisonale Effekte gibt“, so Kopf. Außerdem seien auch jetzt schon einige Frauen um die 60 ohne Arbeit.
Der AMS-Chef bezifferte die Zahl der zusätzlichen Arbeitslosen für 2024 auf rund 5000. Bis 2028 sind es dann laut den AMS-Rechnungen in Summe ungefähr 35.000, es kommt nach 2024 also zu einem leichten, graduellen Anstieg. Das liege daran, dass der Anteil der Arbeitslosigkeit steigt, je älter und krankheitsanfälliger eine Person wird und je näher sie an die Pensionsgrenze rückt. Durch die größere Zahl an älteren Arbeitslosen müsse aber nicht unbedingt die Gesamtarbeitslosigkeit steigen, da dies von vielen anderen Faktoren abhänge, gab Kopf zu bedenken.
Ob die Pensionsnovelle auch zur Abschwächung des Arbeits- bzw. Fachkräftemangels beitragen wird, hängt aus Sicht von Kopf von den suchenden Betrieben selbst ab. Es gehe darum, sich für ältere Arbeitssuchende zu öffnen und nicht nur Männer im Haupterwerbsalter anstellen zu wollen. Dementsprechend gelte es, das Recruiting an Frauen, die beispielsweise nach Teilzeitstellen suchen oder wieder in den Beruf einsteigen wollen, anzupassen. Außerdem sollten sich manche Betriebe mehr mit altersgerechter Arbeitsorganisation auseinandersetzen, riet Kopf.
Ungleichbehandlung am Arbeitsmarkt in Österreich stark ausgeprägt
Wie eine rezente Studie des Instituts Sora im Auftrag des AMS zeigt, ist die Ungleichbehandlung am Arbeitsmarkt in Österreich stark ausgeprägt. Demnach werden Menschen über 50 Jahre und Langzeitarbeitslose seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als jüngere Bewerber und welche, die erst kurz arbeitslos sind. In der Studie, für die 800 Schreiben aufgesetzt wurden, kam es bei zwölf Prozent der Bewerbungen zu einer Ungleichbehandlung aufgrund des Alters. Bei sieben Prozent der Bewerbungen fand eine Diskriminierung aufgrund von Langzeitarbeitslosigkeit statt.