Es klingt paradox und doch gibt es sie: Stromkunden, die für den Verbrauch Geld bekommen – zumindest zeitweise. Möglich wird dies durch ein vorübergehendes Überangebot an erneuerbarer Energie im Netz, wenn im Osten Österreichs der Wind besonders pfeift, bei ungetrübtem Sonnenschein oder zur Niederlastzeit. Dominik Simm aus Finkenstein ist einer jener Kunden, der von einem flexiblen Ökostromtarif profitiert. Er entschied sich für das 2014 in Wien gegründete Start-up „Awattar“, das an der europäischen Strombörse Epex Spot einkauft.

Vom Tarifkalkulator der E-Control wird aktuell nur eine Handvoll Lieferanten gelistet, die Kunden aus Kärnten und Steiermark Spotmarktpreise mit einem Aufschlag pro Kilowattstunde anbietet. Je nach Angebot und Nachfrage ergeben sich teils starke Preisschwankungen: Am 30. Dezember zahlten Kunden mit dem Stundentarif von Awattar maximal 9,6 Cent/kWh, in den Morgenstunden nur ein Drittel. Die Kehrseite: Einen Monat zuvor stieg der Strompreis aufgrund einer windarmen Wetterlage kurzzeitig auf rund 30 Cent.

Wer die großen Energieverbraucher im Smart Home richtig steuert, kann von den Potenzialen flexibler Ökostromtarife profitieren
Wer die großen Energieverbraucher im Smart Home richtig steuert, kann von den Potenzialen flexibler Ökostromtarife profitieren © Adobestock

„Hälfte der Kosten“

Als Simm gegen Ende des Jahres auf den Onlinechart blickte, war hingegen so viel Windenergie im Netz, dass er als Abnehmer bis zu 1,5 Cent/kWh erhielt. Er habe also Geld für das Stromverbrauchen bekommen. Das Risiko ob der schwankenden Börsenpreise bereitet ihm keine Sorgen: Neben der Photovoltaik-Anlage am Dach hat der HTL-Lehrer einen Batteriespeicher im Keller. Zudem ist er Mitglied einer Stromgemeinschaft. Verglichen mit herkömmlichen Fixpreistarifen würden die Kosten rund die Hälfte betragen. Seine Praxiserfahrungen rund um das Thema smarter Energiekonsum gibt er auch an seine Schülerinnen und Schüler weiter.

Die stundengenauen Strompreise werden jeweils am Vortag festgelegt. Dass noch nicht mehr Lieferanten solche dynamischen Tarifmodelle im großen Stil anbieten, liegt wohl auch am technischen Aufwand. Der Strom muss nämlich möglichst exakt eingekauft werden. Der tatsächliche Verbrauch der Kunden und der vorherige Einkauf des Stromversorgers müssen viertelstündlich übereinstimmen. Grundvoraussetzung für die daher notwendigen Prognosen sind die Daten eines jeden einzelnen Smart-Meters. Um die eigenen Stromkosten zu optimieren, sollten Geschirrspüler oder Waschmaschine möglichst dann laufen, wenn die Kilowattstunde gerade günstig zu haben ist.

E-Control rechnet mit Tarif-Flexibilisierung

„Anders als bei Fixpreisprodukten muss man den Aufschlag auf die Börsenpreise und die Grundpauschale berücksichtigen“, betont Leo Lehr, stellvertretender Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der E-Control. Als Konsument müsse man aktiv die stundenweise sehr hohen Preise umgehen, was mit PV-Anlagen, Speicherlösungen und steuerbaren Verbrauchern besser gelinge. Künftig werde man mehr etablierte Stromversorger sehen, wie derzeit nur die Energie Steiermark, die flexible Preismodelle einführen. Ein Vorschlag der EU-Kommission zur Reform des Strommarkts werde dies künftig vorantreiben.