Dass auch die beiden wichtigsten Signa-Unternehmen, die Prime Selection und die Development, nicht um ein Sanierungsverfahren herumkommen werden, hat sich seit einiger Zeit abgezeichnet. Dass es aber noch im zu Ende gehenden Jahr 2023 soweit sein würde, war indes noch nicht klar. Am Donnerstag wurde über die Signa Prime AG das beantragte Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beim Handelsgericht Wien eröffnet. Gläubiger können ihre Forderungen demnach bis 14. Februar 2024 anmelden, wie die Gläubigerschützer von AKV, KSV1870 und Creditreform mitteilen. Zum Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Norbert Abel bestellt. Die Passiva liegen bei 4,5 Milliarden Euro.
Die erste Gläubigerversammlung und Berichtstagsatzung wurde den Angaben zufolge für den 15. Jänner 2024 anberaumt. Der Sanierungsverwalter werde dann zu berichten haben, ob der Finanzplan eingehalten wird und ob Gründe für die Entziehung der Eigenverwaltung vorliegen. Die Prüfungstagsatzung folgt am 26. Februar 2024. Die für die Prime entscheidende Sanierungsplantagsatzung mit der Abstimmung über den Sanierungsplan soll dann am 18. März 2024 stattfinden. Das Unternehmen bietet seinen Gläubigern eine Sanierungsquote von 30 Prozent zahlbar binnen zwei Jahren an.
Signa Development „in derselben Situation“
Die Signa hat aber bereits mit der Information zur Prime-Insolvenz am Donnerstagvormittag mit kommuniziert, dass die Signa Development Selection AG „in derselben Situation“ sei und deshalb am Freitag ebenfalls einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung stellen werde.
Die Signa Development Selection AG investiert nach eigenen Angaben „in Entwicklungsprojekte in Ballungszentren, besonders im deutschsprachigen Raum und Norditalien“ – jedoch abseits von Premium-Innenstadtlagen. Dazu würden u. a. Bürogebäude und -Hochhäuser, Wohnanlagen, Handelsflächen und Hotels zählen. Das Unternehmen verfolge dabei die Strategie „Kaufen – Entwickeln – Verkaufen“, wie auf der Webseite des Unternehmens nachzulesen ist. Die Wertschöpfung umfasse „Planung, Entwicklung, Finanzierung, Errichtung, Vermietung und den Weiterverkauf durch die Signa Development“.
Bereits Mitte November berichtete „Der Spiegel“, dass die Signa Development im ersten Halbjahr einen „Nettoverlust von fast 150 Millionen Euro“ ausgewiesen habe. Vor allem der stark geschrumpfte Wert des Immobilienportfolios setze der Signa-Tochter zu, hieß es in dem Bericht. Das Portfolio der Entwicklungssparte sei demnach um 190 Millionen Euro abgewertet worden. Hinzu komme, dass sie Immobilien verkaufe, um an Geld zu kommen. Insgesamt sei der Wert des Portfolios durch die Verkäufe und Abwertungen heuer in den ersten sechs Monaten von fast drei auf 2,1 Milliarden Euro gesunken – und liege damit „fast gleichauf mit den gewaltigen Schulden von knapp zwei Milliarden Euro, die im Vergleich weniger gesunken sind“, so „Der Spiegel“. Der für heute avisierte Antrag auf das Sanierungsverfahren wird zeigen, wie die Bilanzzahlen derzeit tatsächlich aussehen.
Intensive Aufräumarbeiten
Und wie geht es nun bei der Signa Prime weiter? Klar ist, dass auf den Tag der Eröffnung des Sanierungsverfahrens jedenfalls wochenlang fast Tag und Nacht hingearbeitet worden ist. Wichtigstes Ziel dieser intensiven Aufräumarbeiten in den beiden Signa-Kerngesellschaften Prime und Development: Zu ermitteln, wie viel Geld jetzt von außen gebraucht wird, um die Vermögenswerte zu retten, statt sie in einer unkontrollierten Insolvenz auf den Markt werfen zu müssen und billigst zu verwerten. Der Geldbedarf soll bei 350 Millionen Euro liegen, davon 50 Millionen für die Signa Prime Development, die heute in die Insolvenz gehen soll.
Dieser Plan trägt die Handschrift des Sanierers Erhard Grossnigg. Der 76-Jährige ist seit Dezember Vorstand in den wichtigsten Signa-Gesellschaften. Grossnigg ist überzeugt, den maximalen Schaden eines auch für den gesamten Immobilienmarkt dramatischen Totalabverkaufs verhindern zu können. „Wenn wir Geld bekommen, können wir die Vermögenswerte der Immobilien retten,“ so Grossnigg zur Kleinen Zeitung. Dabei gehe es auch um die prominenten Baustellen wie den Elbtower in Hamburg oder das Luxuskaufhaus Lamarr in Wien. „Eine halbfertige Baustelle ist ja im Vergleich zum bereits verbauten Geld nichts wert,“ so Grossnigg.
Viele Superreiche unter den Teilhabern
Unter den Signa-Prime-Teilhabern sind viele Superreiche zu finden. Signa-Gründer René Benko hatte sie als Investoren für seine Spitzenimmobilien gewonnen. Sie müssen jetzt von Grossnigg überzeugt werden, dass sie mit dieser Rettungsvariante besser aussteigen als mit dem kapitalen Abverkauf. Der Bauindustrielle Hans Peter Haselsteiner, der in Österreich der prominenteste Signa-Teilhaber ist, soll Grossnigg dabei dem Vernehmen nach unterstützen und auch bereit sein, einen Teil des Geldbedarfs beizusteuern.
In der Signa Prime hat Benko jedenfalls die Signa-Anteile an bekannten Immobilien wie dem Wiener „Goldenen Quartier“, dem Kaufhaus Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße oder dem Berliner KaDeWe gebündelt. Ebenfalls unter den Beteiligungen: Das Luxushotel Park Hyatt und das Kunstforum in Wien. Prestige-Projekte finden sich auch in deutschen Metropolen wie Düsseldorf (Carsch-Haus), München (Karstadt am Bahnhofplatz, Oberpollinger, Alte Akademie), Hamburg (Elbtower, Kaufmannshaus, Alster-Arkaden, Gänsemarktpassage) und Berlin (KaDeWe, Upper West, Karstadt Hermannplatz, P1). In Städten wie Innsbruck und Bozen gehören das Kaufhaus Tyrol bzw. das Museumsquartier am Virgl zur Prime.
„Auch diese Insolvenz ist eine Herkulesaufgabe“
„Die geplante Weiterfinanzierung ist der erste und wichtigste Schritt, der über die Sanierung entscheidet,“ sagte Karl-Heinz Götze, Leiter des Bereiches Insolvenz im Kreditschutzverband von 1870. Wenn der gelinge, müsse nicht mehr zwangsläufig mit einem Dominoeffekt bei den hunderten Projektgesellschaften gerechnet werden. Wahrscheinlich werde es dann zwar noch die ein oder andere Insolvenz geben, „aber nicht unbedingt sehr viele“, so Götze. Insgesamt hängen 369 einzelne Gesellschaften an der Signa Prime. Mitarbeiter hat sie allerdings kaum, von der Pleite sind 28 Dienstnehmer betroffen.
Der Insolvenzexperte vom KSV zeigt sich jedenfalls vorsichtig optimistisch „so, wie ich die Zahlen im Insolvenzantrag gesehen habe“. Die könnten sich zwar prinzipiell im Laufe des Insolvenzverfahrens immer noch etwas ändern, „aber sie zeigen, dass es gute Chancen auf eine Sanierung gibt,“ erklärt Götze weiter. „Was nichts daran ändert, dass auch diese Insolvenz eine Herkulesaufgabe ist.“
Grossnigg betont: „Wir werden diese wichtigen Aufgaben mit Bedacht und Vernunft angehen. Es gilt, langfristige Lösungen zu finden. Die Qualität des Signa-Prime-Portfolios ist hervorragend, die Entwicklungsperspektive der Development-Projekte, die in den Toplagen der deutschsprachigen Metropolen liegen, ist sehr gut.“ Ziel sei es, „die weiteren Maßnahmen zur Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs umzusetzen“.
Das sogenannte „Gross Asset Value“, also die Summe der Immobilienwerte, wurde auf der Homepage zuletzt noch mit 20,4 Milliarden Euro angegeben. In Medienberichten war jedoch von teils deutlich überbewerteten Immobilien die Rede.