In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sind neue Wege gefragter denn je. „Haben wir gerade Boom-Zeiten für Innovationsmanager?“ Die Antwort von Hans Lercher lautete: „Firmen gibt es in drei verschiedenen Stadien. Einerseits sind das jene mit der Lizenz zum Gelddrucken, Unternehmen, für die es sehr gut läuft. Der Gegenpol sind Firmen, denen das Wasser bis zum Hals steht. Und dann gibt es die Mittelschicht: Denen geht es nicht schlecht, es könnte aber besser laufen. Diese Mittelschicht ist für Innovationen am empfänglichsten, sie kann sie sich auch leisten.“ Der Leiter des Studiengangs Innovationsmanagement an der FH Campus 02, selbst Innnovationsberater mit 20-jähriger Berufserfahrung, lieferte beim Wirtschaftstalk der Kleinen Zeitung neben einigen Antworten vor allem eine Menge Gesprächs- und Diskussionsstoff zwischen und mit Unternehmern und Führungskräften unterschiedlichster Branchen.
Mit der Idee, dass Innovation vorrangig an Technologie und Produkte gebunden ist, wurde gleich einmal aufgeräumt. Lercher: „Innovation im Sinne von Erneuerung ist das erfolgreiche Umsetzen von Ideen, die dabei helfen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“ Das könne auch ein Prozess sein, der hilft, schneller, billiger oder qualitätsvoller zu werden. Dabei gebe es immer zwei Aspekte: Kann ich es? Und will ich es?
Es kommt also auch auf das Mindset an, auf die Bereitschaft, etwas Neues umzusetzen. Das Top-Management sei dabei nicht das Problem, im mittleren Management ortet der Experte hingegen eine unterschiedlich dIchte Lähmschicht - bewusst mit ä geschrieben. Lerchers Rat: „Um das mittlere Management müsst ihr euch kümmern, das ist der Schlüssel zum Erfolg: durch Vorleben, Coachen, Ziele vorgeben und strategische Orientierung.“ Wichtiger Zusatz: „Die Vorgabe von Umsatzzahlen für die nächsten Jahre ist keine Strategie.“
Die große Frage nach den Warum
Und hier sind wir schon beim wesentlichen Unterschied zwischen erfolgreichen und wenig erfolgreichen Firmen: Lercher: „Die Leute kaufen nicht, was du tust, sondern warum du es tust. Gut gehende Firmen sagen zuerst, warum sie da sind.“ Ein kleines Beispiel: Bei der Produktion von Latexhandschuhen wäre als Warum etwa „Hände schützen oder Gesundheit erhalten“ schlüssig.
Herbert Tanner, Siemens-Standortleiter für die Steiermark und für Kärnten, berichtete aus dem Softwarebereich: „Wenn wir uns nicht um Innovation und Forschung kümmern würden, würde es uns schon lange nicht mehr geben.“ Innovation geschehe in vielen Bereichen, bei vielen Menschen. Ein richtig großes Problem sei aber: „Es kostet Geld.“ Deshalb seien die Rahmenbedingungen sehr wichtig. „Die sind in der Steiermark sehr gut: Es gibt gut geförderte Strukturen und gute Kooperationen.“
Personalmangel und Vergangenheitsorientierung
Franz Habel von der Vulcano Schinken-Manufaktur sagte über seinen Betrieb mit 30 bis 40 Mitarbeitern, der noch „sehr familiär“ geführt wird: „Uns fehlt es an Mitarbeiterpotenzial, weil wir im Wachstum sind. Bei uns muss jeder die Ärmel aufstricken.“ Als Unternehmer und gleichzeitig der Entwickler im Betrieb fühle er sich an der Spitze oft allein.
Oliver Kröpfl von der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG merkte an, dass die eigene Branche bei Finanzierungen gern auf die Kennzahlen der Vergangenheit blickt, auf Assets, die schon da sind. Wenn hingegen jemand „intellectual property“ als Sicherheit anbietet, werde es schwierig. Kröpfl: „Man muss aufpassen, dass man nicht tendenziell das Melken der alten Kuh finanziert, und darauf verzichtet, Dinge zu finanzieren, die neu entstehen.“
Genug Zeit für Inspiration
Christian Krainer von der Wohnbaugenossenschaft ÖWG schilderte, wie sein Unternehmen während Corona innovativ geworden ist, weil alle in der Führungsebene plötzlich mehr Zeit hatten. „In unseren Fall hat es dazu geführt, dass wir modulartiges Bauen entwickelt haben: Kiubo ist ein voller Erfolg. Wir haben für uns festgelegt, dass wir ein Forschungs- und Entwicklungsbudget haben wollen.“
Wie man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Innovation begeisten kann, weiß auch Rainer Stelzer von der Raiffeisen Landesbank Steiermark. Er berichtete von der Plattform „Hummelflug“, die die Bank vor etwa vier Jahren eingerichtet hat. „Einmal im Jahr werden alle Kollegen eingeladen, ihre neuen Ideen einzubringen, einzige Voraussetzung dabei ist, dass sie kundenwirksam sind - ob sie sich rechnen, ist sekundär.“ Die Ideen werden anschließend bewertet. Wer die beste Idee hat, bekommt die Chance, ein Jahr lang teilweise oder ganz aus seinem Job herausgenommen zu werden, um diese Idee weiterzuentwickeln. Es wird ihm ein Innovationsmanger zur Seite gestellt. Ziel ist die Gründung eines Start-ups. „Es hat sich hier ein regelrechter Run entwickelt“, berichtet Stelzer. Das Erfolgsgeheimnis: Man hat den neuen Ideen einen Raum und Bedeutung gegeben. „Wir holen die Leute auf die Bühne, machen sie sichtbar.“