Mehrere Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) haben versucht, den um sich greifenden Zinssenkungsfantasien an der Börse den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn am Finanzmarkt wird angesichts einer zuletzt überraschend deutlich abebbenden Inflation im Euroraum auf eine erste Zinssenkung bereits im März spekuliert.

Für die April-Sitzung 2024 ist am Finanzmarkt ein Zinsschritt nach unten bereits vollständig in den Kursen enthalten. Diese Erwartungen sind jedoch mit den jüngsten Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte unvereinbar.

„Die Markterwartungen für Zinssenkungen sind meiner Ansicht nach verfrüht, sowohl hinsichtlich des Beginns der Zinssenkungen als auch hinsichtlich der Gesamtheit der Schritte“, sagte Sloweniens Notenbankchef Bostjan Vasle der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Die Erwartungen stimmten mit den Grundannahmen der EZB-Prognosen nicht überein. Die Spekulationen hätten bereits dafür gesorgt, dass sich das Niveau der geldpolitischen Restriktion verringert habe. Insgesamt wird für das nächste Jahr aktuell an der Börse erwartet, dass der Einlagensatz bis zum Jahresende auf 2,5 Prozent sinken wird. Aktuell liegt der Satz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, bei 4,00 Prozent.

„Auch den allgemeinen Zustand der Wirtschaft bewerten“

Die EZB-Volkswirte legten zur Zinssitzung am Donnerstag neue Inflations- und Konjunkturprognosen vor. Diese beinhalten unter anderem, dass die Teuerungsrate im ersten Quartal 2024 im Schnitt noch bei 2,9 Prozent und im zweiten Quartal dann bei 2,7 Prozent liegen wird. Die EZB strebt 2,00 Prozent als Optimalwert für die Wirtschaft in der Eurozone an.
Auch aus Sicht von Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras sollte es nicht riskiert werden, die Zinsen im nächsten Jahr zu früh nach unten zu setzen. „Wir müssen die Inflation nachhaltig unter drei Prozent bis Mitte des Jahres sehen, bevor wir die Zinssätze senken“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Neben der Entwicklung der Preise sei zudem erforderlich, dass die Arbeitskosten und die Inflationserwartungen allesamt darauf hindeuten, dass die Inflation wieder auf zwei Prozent zurückgeht. „Wir müssen auch den allgemeinen Zustand der Wirtschaft bewerten“, fügte er hinzu.

Ins gleiche Horn stieß auch der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir. Der positive Rückgang der Inflation in den vergangenen Monaten, einschließlich November, sei noch nicht ausreichend, um den Sieg über die Inflation zu erklären, teilte er auf der Webseite der Národná banka Slovenska mit. „Wir sind noch nicht über den Berg.“ Die Währungshüter seien zwar immer zuversichtlicher, dass die Inflation im Euro-Raum 2025 das EZB-Ziel von 2,00 Prozent erreichen werde. Aus seiner Sicht wäre aber der Fehler einer verfrühten Lockerung der Geldpolitik gravierender als das Risiko, zu lange an der straffen Linie festzuhalten. „Vorsicht ist der Schlüssel“, merkte er an. „Wir rechnen immer noch mit einem leichten Anstieg der Inflation in den kommenden Monaten.“