Um das Apple-Car – Projektname „Titan“ – ranken sich seit nunmehr 15 Jahren Mythen, Gerüchte und Spekulationen. Schon als sich Apple-Gründer Steve Jobs 2007 in Kalifornien zu einem Gedankenaustausch mit dem damaligen Volkswagen-Boss Martin Winterkorn getroffen hatten, rumorte es in der Autobranche. Jobs hatte die Vision, das Auto neu zu erfinden und die Branche zu revolutionieren. So wie es Apple mit dem iPhone am Handymarkt getan hat. Seither geistert das iCar durch die Szene wie das Ungeheuer vom Loch Ness: Niemand hat es je wirklich gesehen, aber alle glauben zu wissen, dass es existiert.
Deutliche Hinweise, dass es der wertvollste Konzern der Welt (Börsenwert rund drei Billionen Euro, Umsatz 383 Milliarden) mit dem Autoprojekt tatsächlich ernst meint, gibt es seit 2010. Damals hatte Apple mit der Rekrutierung von hochkarätigem Personal aus allen automobilen Lagern begonnen. Zu den ersten zählte der aus Graz stammende Topdesigner Julian Hönig, den man von Audi köderte.
Geheime Elitetruppe
Im April 2014 gab Tim Cook, Nachfolger des 2011 verstorbenen Steve Jobs, dann endgültig grünes Licht für das „Project Titan“. Seither tüftelt eine geheime Elitetruppe von weit mehr als tausend Spezialisten in einem streng abgeschirmten Gebäudekomplex nahe des Apple-Hauptsitzes im kalifornischen Cupertino am großen Wurf.
Auf dem Weg zur Neuerfindung des Automobils suchte der Tech-Gigant in den letzten Jahren immer wieder die Nähe zu Herstellern wie Hyundai, Nissan oder Mercedes. Dabei kam es zu Verzögerungen und Kehrtwendungen, abgesehen davon verbrannte Apple Milliarden Dollar und verschliss Dutzende Führungskräfte. In der letzten Phase holte Apple Topleute von Porsche, Lamborghini, Tesla und BMW an Bord. Aktuell ist der Kopf des Projekts ein deutscher Ingenieur: Ulrich Kranz, drei Jahrzehnte lang im Sold von BMW und Vater des i3 und i8, soll das iCar in die Spur bringen.
Ohne Lenkrad und Pedale
Aber Apple hat ein Problem: Das Wunderauto, mit dem man bahnbrechend und einzigartig sein wollte, kann auch die reichste und innovativste Firma der Welt nicht realisieren. Zumindest nicht in diesem Jahrzehnt. Vom ursprünglichen radikalen Ansatz und Anspruch – als erster Hersteller ein selbstfahrendes Elektroauto ohne Lenkrad und Pedale zu bringen – musste Apple aus sicherheitstechnischen Gründen vorerst abrücken.
So wird die erste Version des iCar eher konventionell sein, mit einem überragenden Infotainment, einer Armada an Assistenzsystemen und teilautonom fahrend auf Level 3.
Der Druck auf Cook ist groß. Er will das Beste vom Besten, bloß schicker zu sein als Tesla reicht ihm nicht. Lange Zeit war das richtige Geschäftsmodell das Thema in der Entscheidungsfindung. In der Autobranche fließen die Erlöse nicht von heute auf morgen, von 30 Prozent Rendite im Handygeschäft kann man als Autobauer nur träumen. Jedenfalls: Einen Flop könnte sich Apple wirtschaftlich leisten, aber für das Image der Strahlemarke und für Cook selbst wäre ein Crash fatal. Aber jetzt muss er liefern.
Entscheidung fällt bald
Laut Apple-Analysten und US-Nachrichtenagenturen soll die Entscheidung über den seit Jahren erwarteten Markteintritt in Kürze erfolgen. Das würde bedeuten, dass die Marke mit dem angebissenen Apfel frühestens 2027 die Autobühne betreten würde. Das Apple völlig die Reißleine zieht, halten Branchenexperten mittlerweile für ausgeschlossen. Selbst Ex-VW-Chef Herbert Diess, lange Zeit skeptisch, sieht Apple auf der Zielgeraden. Und Diess zählt Apple auch zu jenen Marken, die langfristig die Autowelt dominieren werden. Den langen Atem dazu hat man.
Offiziell hat sich Apple-Chef Tim Cook nie zum Projekt „Titan“ geäußert und kommentierte auch keine Gerüchte. Während Tesla-Chef Elon Musk aus jeder Vision eine Ankündigung macht, hat Cook bisher zu allen Plänen geschwiegen. Sämtliche Mitarbeiter ebenso: sie mussten umfangreiche Geheimhaltungsverträge unterschreiben, das gilt auch für alle am Projekt beteiligten Partner. Und Apple war und ist mit mehreren Autoherstellern in Kontakt.
Jackpot für Magna
Kein Sterbenswörtchen zu Apple verliert man auch bei Magna Steyr. Die Grazer sind – was sie freilich nicht sagen dürfen, aber in der internationalen Autobranche inzwischen bekannt ist – seit zehn Jahren in das Projekt „Titan“ involviert. Ein hundertköpfiges Geheimteam entwirft Szenarien und Komponenten. Apple hat dafür bisher an Magna geschätzt einen robusten dreistelligen Millionenbetrag überwiesen.
Fakt ist: Stellt Apple das Projekt „Titan“ scharf, stehen die Chancen für Magna als Entwicklungspartner des iCar ziemlich gut. Und es sollte auch nicht auszuschließen sein, dass Apple in Graz eine erste Serie fertigen lässt und später auch die Produktion für Europa übernimmt. Für Magna und die Steiermark wäre es ein Jackpot.