Der gute alte Smart. Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. Der echte, der zweisitzige Smart, war zu früh dran. Und wurde auch bestraft, für seine technischen Schwächen, die er zum Beginn seiner Laufbahn hatte und, natürlich, für seinen Preis.

Heute schaut‘s anders aus: Die Autoindustrie hat in ihrer Gier nach Margen die Basis aus den Augen verloren, dabei stöhnen die Städte an der Last der Staus und der viel zu großen Autos für die Innenstädte. Paris, genauso wie skandinavische Städte, beginnen Autos aus den Städten zu verbannen.

Auch Helmut Marko fuhr auf den Renault Twizy ab
Auch Helmut Marko fuhr auf den Renault Twizy ab © OLIVER WOLF

Radeln im Winter oder dachfrei durch den Regen: Die überdachten Alternativen waren bisher rar. Der Renault Twizy war einer der ersten seiner Art, selbst Red-Bull-Sportchef Helmut Marko stromerte damit durch Graz. Aber wirklich durchgesetzt hat sich das Konzept nicht, man war für den Zeitgeist ein Alzerl zu früh dran.

Der Erste aus der Stellantis-Serie: Citroen Ami
Der Erste aus der Stellantis-Serie: Citroen Ami © Citroen

Radikal umdenken

Vor zwei Jahren begann Citroen radikal umzudenken. Ami hieß die elektrische Knutschkugel, ich schrieb nach der ersten Testfahrt im Großstadtdschungel Berlin: „Die einen sagen „geile Karre“, die anderen wünschen dich „auf den Elektro-Friedhof“. Du wirst fotografiert, bestaunt, begutachtet, als ob du in einem Lamborghini sitzen würdest. Dabei stromerst du in einer elektrischen Knutschkugel durch Berlin, wo Radfahrer, E-Scooter und Roller die Macht übernommen haben. Man hat vier Räder, ein Lenkrad, zwei Sitze und fährt trotzdem kein Auto, sondern laut Definition eine Art Leichtmobil mit E-Antrieb, vulgo Mopedauto der Zukunft. Der maximale Speed liegt bei 45 km/h, die Knutschkugel ist mit 2,41/1,39/1,52 Meter (L/B/H) dimensioniert und könnte Citroëns Nachfolger für die legendäre Ente werden. Die Ente war einst als Landarbeiter-Auto gedacht, Citroëns Ami ist als Stadtauto des 21. Jahrhunderts konzipiert.“

Aus der Idee des Ami ist eine Modellfamilie im Stellantis-Konzern geworden. Fiat hat daraus den neuen Topolino gemacht, hinreißend, Opel den Rocks. Allen gemeinsam ist: Stahlrohrrahmen, zwei Sitze, jede Menge Kunststoff. Auf gutem Asphalt kommt dafür sogar etwas wie ein autoähnliches, komfortables Fahrgefühl auf. Erstaunlich. Der E-Motor leistet knappe 6 kW, die 69 Kilogramm schwere Batterie (5,5 kWh) spendiert rund 75 km Reichweite, der E-Motor leistet stolze sechs kW/acht PS (9 kW/12 PS Maximalleistung zum Beschleunigen). Die 5,5 kWh-Batterie kann in rund vier Stunden zu 100 Prozent über eine gewöhnliche Steckdose aufgeladen werden.

Das Trio ist ein Hybrid im Charakter ein Zwitterwesen, der Missing Link zwischen Auto und Motorrad. Mit Vorteilen aus beiden Welten: ein Dach überm Kopf, samt Panorama-Verglasung, die den Horizont vergrößert. Selbst in Turin, wie neulich beobachte, gehört der Ami schon zum Straßenbild.

Der Schönheitsfehler

Der Schönheitsfehler, freilich: Bisher hat keiner der drei nach Österreich gefunden, obwohl der Ami (siehe „Mehr zum Thema“ unten) bereits vor zwei Jahren angekündigt worden war. In Deutschland gibt es etwa den Elektro-Zweisitzer Opel Rocks bereits ab unter 50 Euro monatlich im Leasing. Der Startpreis liegt bei 7990 für den Opel, in der Preisliga bewegen sich auch die anderen beiden Proponenten des Stellantis-Konzerns. Die Kleinen können ohne Führerschein bewegt werden, bereits ab 15 könnte man einsteigen und losfahren (mit Mopedführerschein). Klar ist: Die Pläne für Österreich liegen am Tisch, nur der Starttermin fehlt.

In Frankreich gibt es schon eine Cargoversion des Ami, für Zustelldienste und Handwerker. 471 Kilogramm leicht ist er, man hat beim Stellantis-Trio lediglich 250 Teile verbaut (ein normales Auto hat ein Vielfaches davon). Front- und Heckschürze sind ident, Türen ebenso, auch die seitliche Verglasung, das bedeutet, dass man nur durch das Lenkrad erahnen kann, wo vorne und wo hinten ist.

Zuguterletzt, noch ein paar Fahreindrücke zum Ami, siehe auch Video/“Mehr zum Thema“: „Selbst zwei Mannsbilder in der 90-kg-Klasse finden Platz, ohne als Konfliktzone zu enden. Der Verbrauch ist halt höher als bei Leichtgewichten, aber Gott sei Dank ist der Ami selber so leicht. Sitzt man einmal im Auto, befinden sich neben dem Fahrersitz drei Druckschalter: Drive, Neutral, Retour. Per Knopfdruck wird ausgewählt. Mit sphärischen Klängen geht es leichtfüßig los, man ist baff, wie einfach dieses Ding ums Eck wetzt – bei 7,2 Meter Wendekreis hat man erstens schnell den Drehwurm und zweitens glaubt man irgendwann, dass man auf einem Bierdeckel umdrehen kann. Dann legt sich der Ami auch in die Kurve.“

Die Konkurrenz

Aber Stellantis ist nicht der einzige Hersteller, der in diesen Markt drängt: Microlino nennt sich die elektrische Reinkarnation eines Fahrzeugs, das mit der BMW Isetta des vorigen Jahrhunderts genetisch verlinkt ist. Der Einstieg erfolgt durch die Fronttür. Nur 2,52 Meter ist er lang, 1,47 Meter breit, das Akku-Paket umfasst 6/10,5 und 14 kWh.

Die Spitzengeschwindigkeit des E-Rollers liegt bei 90 km/h, die maximale Reichweite zwischen 90 und 230 km. Geladen wird an der Steckdose, in drei bis vier Stunden ist man voll. Platz gibt‘s für zwei Erwachsene und drei Bierkisten, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Entstanden ist die knapp 500 Kilogramm schwere Knutschkugel laut Legende deshalb, weil Wim Ouboter und seine beiden Söhne Oliver und Merlin sich darüber ärgerten, wie übertechnisiert Autos sind und normale Autos für 95 Prozent ihrer Nutzung zu groß. Bereits 1999 stieg man ins Mobilitätsgeschäft ein, mit einem Kickscooter. Die Preise für den Microlino starten knapp unter 18.000 Euro, damit schert man klar aus dem unteren Preissegment aus.