Vor 100 Jahren, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, kamen erste Ideen für eine Zugverbindung über die Koralm auf, vor 40 Jahren wurden die Planungen für die Koralmbahn (und den 33 Kilometer langen Tunnel) aufgenommen, vor 26 Jahren starteten die Bauarbeiten.
Am Donnerstag, 7. Dezember, nahm nun der Kärntner Teilabschnitt der neuen Koralmbahn den Betrieb auf. Leicht verspätet, kurz nach halb elf, verließ der Cityjet auf der Hochleistungsstrecke mit Benjamin Melcher an der Spitze den Klagenfurter Hauptbahnhof. „Das ist gewaltig“, machte der sichtlich bewegte Lokführer aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Ein Lebenstraum geht in Erfüllung.“
Lebkuchen und Livemusik
Rührung, Glücksgefühle und Zuversicht beschreiben auch die Stimmungslagen in St. Paul im Lavanttal, wo Hunderte Menschen der offiziellen Eröffnung beiwohnten; viele nutzen die Möglichkeit der Sonderfahrten von Wolfsberg über St. Paul nach Klagenfurt – und retour. Bestens gefüllt war auch das Festzelt, die Stimmung bei Livemusik ausgelassen. Verteilt wurden, passend zu den frostigen Temperaturen, ÖBB-Lebkuchen, dazu Essen und Getränke. Bürgermeister Stefan Salzmann führte die Abordnung der Bürgermeister der Region an. Der Aufschwung habe für die Region bereits begonnen, man sei vom Rand in die Mitte gerückt. St. Paul werde künftig nach zehn Minuten Dunkelheit „die erste Visitenkarte Kärntens sein“, frohlockte Salzmann.
Die Jungfernfahrt zuvor verlief unspektakulär – im besten Sinne: leise, gefühlt nahezu keine Kurven, der Ausblick auf die weiße Winterlandschaft unterbrochen von einzelnen Tunnels: So ging es mit bis zu 160 km/h in 26 Minuten unter anderem über die längste Eisenbahnbrücke Kärntens zum neuen Verkehrsknotenpunkt im Lavanttal. Künftig sollen Railjets für diese Strecke gerade einmal 22 Minuten benötigen, ab Sonntag (10. Dezember) ist die Bahnstrecke Nahverkehrszügen der S3 von Weizelsdorf nach Wolfsberg vorbehalten. Die Fahrzeit von Wolfsberg und St. Paul nach Klagenfurt verkürzt sich um rund eine halbe Stunde.
„Im wahrsten Sinne epochal“
ÖBB-Chef Andreas Matthä, ein gebürtiger Villacher, ortete auf dem Weg Richtung St. Paul nicht weniger als ein „historisches Ereignis“ – und „Licht am Ende des Tunnels für die gesamte Koralmbahn“. Denn am 33 Kilometer langen Koralmtunnel wird noch zwei Jahre lang gearbeitet, die Eröffnung erfolgt am 14. Dezember 2025. „Der Kärntner Abschnitt ist ein erstes spürbares Erleben der neuen Bahn für die Kärntner Bevölkerung. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes epochal.“
„Das ist wirklich ein epochales Gefühl, wenn man die gesamte Geschichte von Anfang an miterleben durfte“, stimmte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zu. Er erinnert an die vielen Skeptiker, die dem Großprojekt anfangs ablehnend gegenüberstanden. „Aus einer kritisch beäugten Bahn wurde eine Herzensangelegenheit“, erklärt Kaiser. Man wolle alles tun, „um diese Chancen für Kärnten und die Steiermark und die Menschen hier zu nutzen“. Aus dem Süden werde ein neuer Zentralraum, der Donnerstag sei eine „Sternstunde für den Arbeits-, Wirtschafts- und Lebensraum Kärnten“.
„Eine visionäre Sache“
„Ein super Gefühl“ verspürte bei der ersten Fahrt auf der Koralmbahn Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). „Was für die Menschen gut ist, ist auch für die Umwelt gut.“ Es habe früher viel Skepsis gegenüber der Koralmbahn geben, wenn man aber nun die gesamte baltisch-adriatische Achse sehe, bringe das eine „ganz starke Entwicklung, das ist eine visionäre Sache“. Der Koralmtunnel für sich genommen „wäre schon ein Fragezeichen gewesen“, meint Kogler, „aber wenn man alle Achsen in Österreich, alle Verknotungen vornimmt, dann sieht man, wie sich das entwickelt.“ Es gehe nicht nur um die schnelle Verbindung zwischen Graz und Klagenfurt, „sondern da wurde viel, viel mehr daraus gemacht“.
Die neue Bahnstrecke mit Bürgermeistern teilweise entlang geradelt ist Martin Selmayr, der Vertreter der EU-Kommission in Österreich. „Die Region wächst zusammen“, lautet seine Erkenntnis. Aber auch weit darüber hinaus: „Wir verbinden über diese Achse Danzig mit Ravenna, das ist für ganz Europa ein extrem wichtiger Moment heute.“ Die Koralmbahn sei „Europa zum Angreifen“. Die EU finanziert die Koralmbahn mit 543 Millionen Euro aus dem Aufbauplan „NextGenerationEU“.
Die schnellste Railjet-Verbindung wird Klagenfurt–Graz ab Ende 2025 mit 230 km/h in 45 Minuten absolvieren. In Summe fließen rund 6,1 Milliarden Euro in den Bau der Koralmbahn. Rund 1,7 Milliarden Euro wurden in den Kärntner Abschnitt der Koralmbahn investiert.