Dass die Bosse der großen Zentralbanken bisweilen schon mit zarten Andeutungen für Ausschläge auf den Finanzmärkten sorgen können, ist keine neue Erkenntnis. Es ist die sprichwörtliche Goldwaage, auf die jedes Wort gelegt und schließlich interpretiert wird. So auch am vergangenen Freitag. Da hatte Jerome Powell, Vorsitzender des Gouverneursrates der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) gemeint, dass sich die Fed aufgrund der jüngsten Rückgänge bei der Inflation nun „vorsichtig“ vortasten könne. So weit, so unspektakulär, möchte man meinen. Doch auf den Märkten wurde dies als Signal dafür gewertet, dass die Leitzinsen – in den USA liegt der Zinssatz seit Juli in der Spanne zwischen 5,25 bis 5,5 Prozent – womöglich doch früher gesenkt werden könnten als noch vor Kurzem angenommen. Auch wenn Powell abermals relativierte, dass die Fed im Falle doch wieder steigender Teuerungsraten bereit sei, „unsere Politik weiter zu verschärfen, wenn es angebracht erscheint“.
Doch die angedeutete Aussicht auf Zinsen, die in den nächsten Monaten wieder sinken könnten, wog schwerer. Das spiegelt sich nun vor allem im Goldpreis wider, der zu Wochenbeginn mit zwischenzeitlich 2135 US-Dollar bzw. 1963 Euro je Feinunze (31,1 Gramm) einen neuen Höchststand erreicht hat. Es war ein weiterer Impuls für den Kurs des Edelmetalls, der von einer Melange mehrerer Faktoren getrieben wird. Abseits der Zinserwartungen wird Gold derzeit auch wieder dem Ruf der „Krisenanlageform“ gerecht. Im gestrigen Tagesverlauf pendelte sich der Preis bei über 2050 US-Dollar ein.
Gradmesser für den Goldkurs
Die anhaltenden und gravierenden geopolitischen Unsicherheiten – vom Krieg in der Ukraine bis zu den Gefechten im Nahen Osten – sind daher ebenso ein Faktor wie die globale Wirtschaftsflaute und damit verbundene Rezessionsängste. Ein wichtiger Gradmesser für den Goldkurs ist auch die Inflation – wobei sich dieser Einfluss als vielschichtig erweist. Denn an sich ist eine hohe Inflationsrate mittel- bis langfristig ein Treiber für den Goldpreis. Aktuell ist es aber eben auch so, dass die sinkenden Teuerungsdaten für einen Schub sorgen, weil damit, wie erwähnt, auch die Hoffnung auf baldige Rückgänge bei den Leitzinsen einhergehen.
Wenn der Glanz von Gold verblasst
Gold bietet zwar den Vorteil, dass es grundsätzlich kein Ausfallrisiko gibt, bei Goldanlagen unterwirft man sich aber dem Kursrisiko – und nimmt in Kauf, dass es abseits der Marktbewegungen keine Rendite-Erträge in Form von Zinsen oder einer Dividende gibt. Wertsteigerungen sind damit ausschließlich das Resultat von Goldpreiserhöhungen. Steigen – wie zuletzt – also Zinsen für Anleihen oder auch für Geldmarkt- und Sparprodukte, verblasst der Glanz von Gold etwas. Sollten die Leitzinsen, zumindest in den USA (in der Eurozone dürfte es noch länger dauern), also wieder etwas abgesenkt werden, reduziert sich der Zinsvorteil – und Gold kann unter diesen Anlagegesichtspunkten an Attraktivität gewinnen. Gold wirft zwar keine Zinsen ab – schwächeln die Alternativen, strahlt der Glanz des Goldes heller.
Warnung vor Zinssenkungseuphorie
Zahlreiche Marktanalysten warnen dennoch davor, verfrüht in eine Zinssenkungseuphorie zu verfallen. Sollten sich die jüngsten Hoffnungen einer US-Zinssenkung (im späteren Frühjahr) nicht erfüllen, könnte das zu Kurskorrekturen führen. Denn der Goldpreis ist keine Einbahnstraße, enttäuschte Erwartungen können Spekulanten ganz schnell dazu bewegen, Gold den Rücken zu kehren.