Die Bemühungen, mutmaßlich 500 Millionen Euro bis Ende November als dringende Finanzspritze aufzutreiben, sind gescheitert. Was seit Tagen vermutet wurde, ist nun fix: Die Signa Holding als Dach des Immobilienimperiums des Tiroler Investors René Benko meldet Insolvenz an. Die Geschäftsführung der Signa Holding GmbH hat am Mittwoch einen Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung für die Signa Holding GmbH beim Handelsgericht Wien eingebracht. Unmittelbar betroffen seien 42 Mitarbeiter.

273 Gläubiger

Mittwochabend wurde am Handelsgericht das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung über das Vermögen der Signa Holding GmbH eröffnet. Demnach sind 273 Gläubiger mit Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von rund 5,0 Milliarden Euro betroffen. Laut Antrag verfügt die Schuldnerin über Aktiva mit einem Buchwert von rund 2,77 Milliarden Euro. Als Liquidationswert werden jedoch lediglich rund 314 Millionen angesetzt. Zum Insolvenzverwalter wurde Christof Stapf bestellt, Michael Neuhauser als dessen Stellvertreter.

Zinsanstieg trifft Benko doppelt

Der Zinsanstieg trifft Benko doppelt, weil er die Immobilien großteils mit Krediten finanziert hat. Laut einer Studie der Investmentbank JPMorgan summierten sich die Schulden allein in den zwei größten – bis dato nicht insolventen – Immobilientöchtern Signa Prime Selection und Signa Development Selection Ende 2022 auf 13 Milliarden Euro. Davon seien 7,7 Milliarden Euro Kredite gewesen, von denen gut die Hälfte zu variablen Zinsen abgeschlossen worden sei.

Eine Tochter der insolventen Signa Holding, die Signa Prime, versuche einem Insider zufolge, sich in Gesprächen mit Investoren „dringend benötigte liquide Mittel zu sichern“. Es sei aber noch offen, ob dies gelingen werde, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Mittwoch laut Reuters. Bei einem Fehlschlag drohe auch bei Prime ein Insolvenzantrag. Bei Prime sind Immobilienpakete der Signa Holding gebündelt.

Geordnete Fortführung als Ziel

Signa beantragte die Annahme eines Sanierungsplans. Ziel sei die „geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Eigenverwaltung und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens“. Das teilt Signa in einer Presseaussendung mit. „Aus heutiger Sicht ist nicht seriös einschätzbar, ob weitere Gesellschaften der Signa-Gruppe einen Insolvenzantrag stellen werden und es zu einem Dominoeffekt kommen wird“, sagt der Chef des Bereiches Insolvenzen im Kreditschutzverband von 1870. Für Rückfragen war in der Signa wie bereits in den vergangenen Wochen niemand erreichbar.

„Die Notbremse gezogen“

Der Kreditschutzverband schreibt: „Nach Wochen des Schweigens der Unternehmensleitung und der damit verbundenen Ungewissheit bei den Gläubigern, Investoren und anderen Stakeholdern hat nunmehr die Signa Holding GmbH die Notbremse gezogen und den Weg zum Insolvenzgericht eingeschlagen.“ Die Mindestquote für die Gläubiger liegt bei einer Sanierung mit Eigenverwaltung bei 30 Prozent. Wobei völlig offen ist, auf welche Werte sich die 30 Prozent beziehen können.

Signa-Gruppe besteht aus Hunderten Unternehmen

Die Signa-Gruppe besteht aus mehreren Hundert Gesellschaften in verschiedenen Ländern. Laut KSV stellen sich die wechselseitigen Beteiligungen äußerst komplex dar. An der Signa Holding sind demnach acht Gesellschafter beteiligt. Das sind die Supraholding GmbH & Co KG in Innsbruck, die Haselsteiner Familien-Privatstiftung in Spittal an der Drau, die Eugster/Frismag AG im Schweizer Amriswil, die Familie Benko Privatstiftung in Innsbruck, die Fressnapf Luxembourg GmbH in Grevenmacher, Ernst Tanner aus Wien, die AE Familienholding AG wiederum in Amriswil, die Supra Assets GmbH in Innsbruck.

Der Kreditschutzverband sieht eine „Herkulesaufgabe“ darin, die Hunderten Gesellschaften des Firmengeflechts binnen drei Wochen auf ihre Werte zu überprüfen. Insgesamt stünden 390 österreichische Unternehmen im Zusammenhang mit der Signa, der Großteil seien Projektgesellschaften. Direkt beteiligt ist die Signa Holding an 36 Gesellschaften.

Abschluss eines Sanierungsplans als Ziel

Begründet wird der Insolvenzantrag von der Signa damit, dass der Retailbereich – vor allem der stationäre Einzelhandel – in den letzten Jahren aufgrund externer Faktoren in Europa wirtschaftlich stark unter Druck geraten sei. „Die Investitionen in diesem Bereich haben nicht den erwarteten Erfolg gebracht. Auch im Immobilienbereich haben sich in den letzten Monaten externe Faktoren negativ auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt“, heißt es weiter.

Man habe in den letzten Wochen „erhebliche Bemühungen“ unternommen, um die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung in ausreichendem Maße sicherzustellen, das sei jedoch nicht gelungen, schreibt Signa. Über das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung solle „gemeinsam mit dem zu bestellenden Sanierungsverwalter“ eine „Neuordnung der eigenen Aufgaben und der eigenen Verbindlichkeiten“ erreicht werden. Die „Werthaltigkeit der Beteiligungen“ solle so erhalten bleiben. Ebenso beabsichtigt Signa den Abschluss eines Sanierungsplans.

Tatsächlich bedeutet die Eigenverwaltung, dass der Insolvenzverwalter eine Aufsichtsfunktion hat, aber im Gegensatz zu einem Konkursverfahren nicht allein verantwortlich das Ruder übernimmt. Er muss geschäftlichen Entscheidungen allerdings zustimmen. Nach drei Wochen wird es eine Gläubigerversammlung geben, die dann auch darüber entscheiden kann, die Eigenverwaltung zu beenden. „Es ist also nicht so, dass Signa beziehungsweise der Herr Geiwitz einfach weitermachen kann wie bisher“, stellt Karl-Heinz Götze vom KSV klar.

Wer nun die Signa-Gruppe in den kommenden Wochen und Monaten sanierungstechnisch begleiten wird, ist noch offen. Seitens der Signa dürfte der von Benko als Restrukturierungsexperte geholte Arndt Geiwitz diese Rolle weiter bekleiden. Gesichert ist das allerdings nicht, im Zuge der Turbulenzen der letzten Wochen war Geiwitz’ Rolle umstritten.

Investoren erwägen Strafanzeige

Unter Investoren und Gesellschaftern steigt nach Informationen des „Spiegel“ indes der Groll gegen Benko. Erste Geldgeber würden Strafanzeigen gegen den Milliardär erwägen. Es sei „nicht verständlich, was passiert ist“, sagte demnach ein Investor. Man sehe „Zeichen für eine Insolvenzverschleppung“, denn die Probleme hätten sich bereits im Sommer abgezeichnet.

Laut „Spiegel“ droht auch jenen Gesellschaftern Ungemach, die zuletzt Immobilien von Benko erworben haben. Insolvenzverwalter könnten solche Verkäufe möglicherweise rückabwickeln. „Dann sind die Käufer ihr Geld los, aber die Immobilien müssen sie wieder hergeben“, heißt es aus Benkos Umfeld. Sie müssten sich dann wie andere Gläubiger auch ihr Geld aus der Insolvenzmasse wieder holen.

Bericht wird laufend aktualisiert.