Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, warnt davor, die Zinsen im Euroraum zu schnell wieder zu senken. Die Inflation sei in den vergangenen Monaten zwar deutlich zurückgegangen, doch es sei keine ausgemachte Sache, dass sich dieser Rückgang fortsetzen werde, sagte Nagel am Dienstag auf einer Veranstaltung der zypriotischen Notenbank in Nikosia. Die Teuerungsrate liege zudem immer noch ein erhebliches Stück vom EZB-Ziel von zwei Prozent entfernt.

Auf und Ab der Inflation

„Und wir erwarten für die nahe Zukunft einen holprigen Weg mit einem Auf und Ab der Inflation“, merkte Nagel an. Im Oktober war die Teuerungsrate im Euroraum auf 2,9 Prozent gesunken. Noch im Herbst 2022 hatte sie zeitweise bei über zehn Prozent gelegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich mit einer Serie von zehn Zinserhöhungen gegen den Teuerungsschub gestemmt. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, beträgt mittlerweile 4,5 Prozent.

Zinsanhebung möglich

„Natürlich könnte es sein, dass wir bei einer Verschlechterung der Inflationsaussichten die Zinsen wieder anheben müssen“, sagte Nagel. „Der umgekehrte Fall - eine viel schnellere Rückkehr der Inflation auf zwei Prozent - scheint mir jedoch sehr viel unwahrscheinlicher.“ Daher sei es verfrüht, die Zinssätze bald zu senken oder über solche Schritte zu spekulieren. Schließlich seien nicht nur die Höhe der Zinssätze ausschlaggebend für den Kurs der Währungshüter, sondern auch die Erwartungen hinsichtlich der künftigen Zinsentwicklung.

Nach Ansicht von Nagel könnte es der Wirtschaft mehr schaden, wenn die Geldpolitik zu früh gelockert wird und die Euro-Notenbank dann wieder und noch stärker straffen muss. Einige argumentierten, dass niedrigere Zinssätze es ermöglichen würden, das Wirtschaftswachstum zu steigern, ohne die Preisstabilität zu gefährden. „Aber diese Argumentation überzeugt mich nicht“, merkte er an. Aus seiner Sicht hat die EZB ihren Straffungskurs auch nicht überzogen: „Was die Transmission betrifft, so sehe ich keine zu starke Straffung“.