Eigentlich setzte Europa auf das richtige Pferd. Seit 2018 und einem unverbindlichen „White Paper“ als Basis tüfteln unterschiedliche Institutionen und Staaten der Europäischen Union an einem Rechtsrahmen für „Künstliche Intelligenz (KI)“. Im April 2021 kam es gar zum ersten Entwurf eines „European AI Act“, man sah sich auf gutem Wege zur weltweit ersten umfassenden KI-Gesetzgebung. Auch wenn sich die öffentliche Debatte darüber vergleichsweise in Grenzen hielt. Bestrebungen und Technologie interessierten lange Zeit nur bedingt.

Seit Ende November 2022 ist alles anders. Mit der kostenfreien Öffnung des Chatbots ChatGPT schwappte das Thema KI in die breite Masse über. Damit einhergehend wurden schnell auch die Rufe nach einer geschickten Regulierung und Lenkung der potenziell mächtigen Technologie lauter. Und Europa? Gerät plötzlich unter Druck. Die Regulatoren hatten nämlich viele Facetten von Künstlicher Intelligenz bedacht. „Foundation models“, also jene KI-Basismodelle, die etwa hinter ChatGPT stecken, hatte in dieser Form niemand auf der Agenda.

Just daran spießt es sich jetzt aber gewaltig. Während sich das EU-Parlament für eine Regulierung der Modelle starkmacht, haben sich drei mächtige Staaten auf der Gegenseite positioniert. Deutschland, Frankreich und Italien sprachen sich jüngst für eine „verpflichtende Selbstregulierung“ aus, wollen aber keine verbindlichen Regeln. Diese würden Innovation eindämmen und Start-ups wie Aleph Alpha (Deutschland) oder Mistral (Frankreich) behindern, mit eigenen KI-Modellen zu den US-amerikanischen Marktführern aufschließen zu können.

Österreich setzt KI-Servicestelle ein

„Der Ansatz, diese Modelle nicht zu regulieren, wird sich nicht durchsetzen“, sagt indes Jeannette Gorzala, Juristin und Vizepräsidentin des European AI Forum, am Rande des „AI Governance Forum“ an der Grazer Karl-Franzens-Universität. Selbst sieht sich Gorzala in dieser Causa als „Fan des Mittelweges“, der sich für Regulierung, aber gegen Überregulierung ausspricht. Bis zum 6. Dezember, dem nächsten wichtigen Verhandlungstermin, muss nun das Trilog-Verfahren – also die Abstimmung zwischen Parlament, EU-Kommission und den Nationalstaaten – für einen Kompromiss sorgen. Schafft man es nicht, könnte ein Inkrafttreten der Regeln schnell in weite Zukunft rücken. Immerhin wird in Europa im nächsten Jahr gewählt.

Österreich griff dem AI Act schon einmal vor, indem es die Gründung einer bei der Regulierungsbehörde RTR angesiedelten „KI-Servicestelle“ ankündigte. Ein guter Schritt, empfindet Expertin Gorzala. Auch, weil der AI Act „relativ viele Dinge an nationale Behörden delegiert“. Spannend wird natürlich die konkrete Auslegung eines fertigen Gesetzes sein. Klar scheint, dass der AI Act in vier Risikoklassen unterscheiden wird. Je nach „assoziiertem Risiko“ (Gorzala) gibt es dann konkrete Auswirkungen für die Entwickler der KI-Modelle.

Impressionen vom AI Governance Forum in Graz: