Mit der Insolvenz der Signa Real Estate Management Germany (REM), einem deutschen Tochterunternehmen der Signa-Gruppe, spitzt sich die Lage der gesamten Signa-Gruppe dramatisch zu, Insolvenzen weiterer Konzerngesellschaften werden laut Medienberichten vorbereitet. Und auch der Gesamtkonzern selbst steht auf der Kippe. Zur Einordnung: Der Konzern mit seinen mehr als 1000 Einzelfirmen soll 23 Milliarden Euro schwer sein. Eine Insolvenz würde nicht nur die prominenten Eigentümer und Tausende Mitarbeiter, sondern auch Banken und weitere Unternehmen empfindlich treffen.

500 Millionen Euro fehlen jetzt

Eine halbe Milliarde Euro, möglicherweise auch 600 Millionen, braucht Signa dem Vernehmen nach bis Monatsende, um den drohenden Zusammenbruch noch abwenden zu können. Nachdem Signa auf der Suche nach kurzfristigen Krediten bei staatlichen Investmentgesellschaften aus Abu Dhabi und Saudi Arabien sowie beim Vermögensverwalter Attestor Capital abgeblitzt sein soll, ist „Benkos letzte Chance“ der US-Hedgefonds Elliott. Das berichten die Magazine „Spiegel“ und „News“. Die Finanzspritze ist Voraussetzung dafür, um die umfassende Sanierung der Gruppe überhaupt angehen zu können. Dabei handelt es sich um ein Mezzanin-Kapital eines risikobereiten Investors, der Kapital sehr teuer bereitstellt und im Gegenzug auf direkte Mitsprache weitgehend verzichtet.

Bei der in Schieflage geratenen Immobiliengruppe Signa ist es in einer zentralen Gesellschaft zu einer Rochade gekommen. Die Familie Benko 2017 Zwei GmbH trat demnach am 10. November ihren Anteil an der Signa Holding GmbH an zwei Schweizer Aktiengesellschaften namens Eugster/Frismag AG und AE Familienholding AG ab. Die Änderungen wurden laut Amtsblatt heute, Dienstag, im Firmenbuch eintragen. Die neuen Gesellschafter kommen zusammen auf einen Anteil von 11,5 Prozent.

Hinter Eugster/Frismag AG mit Sitz in Amriswil steht ein von Arthur Eugster gegründeter Hersteller von Kaffeemaschinen für Marken wie Jura, Melitta und Miele. Die AE Familienholding AG ist ebenfalls der Familie Eugster zuzurechnen. Die Schweizer Investorenfamilie galt schon bisher als beteiligt, deren Stimmrechte wurden laut Medienberichten aber bis zuletzt treuhänderisch von Signa-Gründer Rene Benko vertreten.

Interview mit Prof. Heinemann in der ZIB 2

„Würde mich extrem wundern“

Überbewertete Immobilien, Milliarden-Verbindlichkeiten, ein verwirrendes Geschäftsmodell, das auf null Zinsen aufgebaut war, ein unübersichtliches Firmengeflecht und mutmaßlich keinen dringend benötigten Kapitalgeber in letzter Sekunde: Der bekannte Handelsexperte Wirtschaftsprofessor Gerrit Heinemann (Hochschule Niederrhein) glaubt, dass Signa „mit 99 Prozent Wahrscheinlichkeit“ am Dienstag Insolvenz anmelden wird. Das erklärte Heinemann in der ZIB 2 gegenüber Armin Wolf. Es würde Heinemann „extrem wundern“, sollte sich noch ein Geldgeber in letzter Sekunde finden. Viel wahrscheinlicher sei es, dass Signa „wie ein Kartenhaus“ in sich zusammenfallen werde. René Benko werde es selbst bei einem krachenden Zusammenbruch nicht hatt treffen, glaubt Heinemann, dieser werde „nicht verarmen“.

Vermögen um die Hälfte reduziert

Das von „Forbes“ geschätzte Vermögen des Signa-Gründers Rene Benko ist binnen weniger Monate um mehr als die Hälfte geschrumpft. Bezifferte das US-Nachrichtenmagazin Benkos Nettovermögen im Sommer 2023 noch mit rund 6 Mrd. US-Dollar (5,5 Mrd. Euro), waren es Ende November nur noch 2,8 Milliarden Dollar. Der 46-Jährige rutschte damit vom 425. auf den 1105 Platz weltweit ab. Wie hoch Benkos Vermögen abseits von Signa ist, ist nicht öffentlich bekannt. Medienberichte zufolge gehören ihm auch privat Signa-Immobilien, wie etwa das Luxusresort „Eden Reserve“ am Ufer des Gardasees. Vergangene Woche wurde bekannt, dass Bilder von Picasso und Basquiat, die sich im Besitz von Benko befinden, zu Geld gemacht werden sollen. Auch für Benkos 62 Meter lange Yacht namens „Roma“ fand sich bis Montag im Internet ein Inserat mit einem Verkaufspreis von 39,9 Millionen Euro.

Die Baustelle am Elbtower in Hamburg steht seit Ende Oktober still
Die Baustelle am Elbtower in Hamburg steht seit Ende Oktober still © IMAGO / Chris Emil Janssen

Kreditkosten von 20 Prozent und mehr

Zurück zu Signa: Für frisches Geld müsste Signa freilich teuer bezahlen. Da es nur teilweise besichert wäre, treibt dies die Zinsen nach oben: Mit Gebühren würden Kreditkosten von 20 Prozent und mehr pro Jahr entstehen, berichtet die „FAZ“. Auch bei österreichischen Banken steht Signa mit hohen Verbindlichkeiten in der Kreide. Auf 2,2 Milliarden Euro soll sich das Gesamt-Exposure (die Kreditrisiken, Anm.) belaufen. Die größten Kreditgeber sind die Raiffeisen Bank International (RBI) sowie die zur UniCredit gehörende Bank Austria.

Mit erheblichen Summen dürfte auch der Schweizer Vermögensverwalter Julius Bär beim österreichischen Immobilienkonzern involviert sein. Die Bank räumte ein, mit rund 622 Millionen Euro (606 Millionen Franken) „bei einer Unternehmensgruppe“ exponiert zu sein, einem Insider zufolge handelt es sich dabei um Signa. Auch deutsche Landesbanken haben Signa Kredite überlassen. Sollte es zum Äußersten kommen, könnten viele Banken die Immobilien, mit denen ihre Kredite an Signa besichert sind, wohl verwerten – und müssten dann nicht ihr gesamtes Engagement abschreiben.

Erster Immo-Dominostein?

Ob die seit Montag offiziell zahlungsunfähige Signa Real Estate Management Germany, sie gehört zu Signas bedeutendster Immobiliensparte Prime Selection, der erste fallende Dominostein war, dem andere folgen, ist zur Stunde noch unklar. REM ist für die Entwicklung von Immobilienprojekten zuständig und laut Insolvenzantrag auch als Bauträger tätig. Die Gesellschaft erzielte 2021 einen Jahresumsatz von 54 Millionen Euro, 139 Mitarbeiter sind beschäftigt.

Nach der Pleite von einzelnen Töchtern des Handelsimperiums, allen voran der Signa Sports United, und den zwei Insolvenzverfahren, die die deutsche Galeria Karstadt Kaufhof-Gruppe durchlaufen hat, ist es nun die erste Insolvenz eines Immobilienunternehmens aus dem Signa-Reich. Mit der Insolvenz wurde deutlich, dass Signa Prime nicht mehr in der Lage ist, der Tochter ausreichend Kapital bereitzustellen. Auf Medienanfragen, ob auch andere Teile der Signa-Gruppe insolvent seien, reagierte Signa nicht.

Abverkauf in Wien

Indes geht der Versuch, durch den Abverkauf von Immobilien zu retten, was noch zu retten ist, weiter. So verkaufte die Signa Prime Assets GmbH laut „Profil“ fast ein Viertel der Anteile am Luxus-Einkaufsviertel „Goldenes Quartier“ in Wien an die deutsche RAG-Stiftung. 24,69 Prozent der Tuchlauben Immobilien GmbH wechselten ebenfalls den Besitzer. Die Stiftung, die den Ausstieg Deutschlands aus dem Steinkohlebergbau finanziert, hält rund fünf Prozent der Anteile an der Signa Prime.

Ob es gelingen kann, den Rettungsanker erfolgreich auszuwerfen und so quasi in letzter Minute die drohende Insolvenz bei Signa noch abzuwenden, ist offen. Standhaft hielten sich bis zuletzt Gerüchte, wonach die Signa am Dienstag Insolvenz beantragen könnte – fix ist das freilich nicht.