Überbewertete Immobilien, Milliarden-Verbindlichkeiten, ein Geschäftsmodell, das auf null Zinsen aufgebaut war, ein unübersichtliches Firmengeflecht und mutmaßlich keinen dringend benötigten Kapitalgeber in letzter Sekunde: Der bekannte Handelsexperte Wirtschaftsprofessor Gerrit Heinemann (Hochschule Niederrhein) glaubt, dass Signa „mit 99 Prozent Wahrscheinlichkeit“ am Dienstag Insolvenz anmelden wird. Das erklärte Heinemann in der ZIB 2 gegenüber Armin Wolf. Es würde Heinemann „extrem wundern“, sollte sich noch ein Geldgeber in letzter Sekunde finden. Viel wahrscheinlicher sei es, dass Signa „wie ein Kartenhaus“ in sich zusammenfallen werde. René Benko werde es selbst bei einem krachenden Zusammenbruch nicht hart treffen, glaubt Heinemann, dieser werde „nicht verarmen“.
Bei der angeschlagenen Signa-Gruppe rund um den Tiroler Investor René Benko könnten Insidern zufolge weitere Insolvenzanträge für Signa-Gesellschaften in Deutschland folgen. Solche Insolvenzanträge seien in Vorbereitung, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Von Signa war laut Reuters zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Die Signa Real Estate Management Germany hatte bereits beim Amtsgericht Charlottenburg einen Antrag auf Konkurs gestellt, wie das deutsche Magazin „Der Spiegel“ und „News“ berichtet hatten. Am Montag wurde das offiziell bestätigt, der Berliner Rechtsanwalt Torsten Martini wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Benkos letzte Chance
Dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ und dem Magazin „News“ zufolge verhandelt Signa jetzt nun nur noch mit dem US-Hedgefonds Elliott über eine Finanzspritze. Finde sich nicht kurzfristig ein Kreditgeber, könnte die gesamte Gruppe fallen, hatten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen gesagt. Dies sei Benkos „letzte Chance“, hieß es dem Bericht zufolge aus seinem Umfeld. Bei anderen Investoren wie Mubadala Investment, der staatlichen Investmentgesellschaft aus Abu Dhabi, oder dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF und dem Vermögensverwalter Attestor Capital sei Signa abgeblitzt. Ein Elliott-Sprecher wollte sich nicht dazu äußern.
Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete, müsste ein Investor kurzfristig 500 bis 600 Millionen Euro zuschießen, wobei das Geld nur zum Teil besichert wäre. Dementsprechend hoch wären die Zinsen: Gemeinsam mit zusätzlichen Gebühren könnten demnach Kreditkosten von über 20 Prozent pro Jahr entstehen.
„Goldenes Quartier“ zum Teil verkauft
Indes geht der Versuch, durch den Abverkauf von Immobilien zu retten, was noch zu retten ist, weiter. So verkaufte die Signa Prime Assets GmbH laut „profil“ fast ein Viertel der Anteile am Luxus-Einkaufsviertel „Goldenes Quartier“ an die deutsche RAG-Stiftung. 24,69 Prozent der Tuchlauben Immobilien GmbH wechselten ebenfalls den Besitzer. Die Stiftung, die den Ausstieg Deutschlands aus dem Steinkohlebergbau finanziert, hält rund fünf Prozent der Anteile an der Signa Prime.
Risikokapitalgeber gesucht
Signa leidet Insidern zufolge unter Liquiditätsproblemen. Finde sich nicht kurzfristig ein Kreditgeber, könnte die gesamte Gruppe fallen, hatten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen gesagt. Der österreichischen Zeitung „Der Standard“ zufolge soll am Dienstag ein Insolvenzantrag für die milliardenschwere Signa-Gruppe erfolgen.
Bei den dringend benötigten Riesensummen hofft die Signa derzeit auf einen Mezzanininvestor, der vereinfacht erklärt sehr teures Kapital bei wenig direkter Mitsprache zur Verfügung stellt. Die nötigen 500 oder womöglich sogar 600 Millionen Euro wären nur zum Teil besichert, zum Teil aber auch unbesichert, schrieb etwa die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Wochenende. Dadurch würden extrem hohe Zinsen fällig. Zusammen mit zusätzlichen Gebühren können Kreditkosten von über 20 Prozent pro Jahr entstehen.
Kredite bei namhaften Banken
Eine etwaige Insolvenz bei Signa würde auch an den kreditgebenden Banken nicht spurlos vorübergehen. Laut Medienberichten hat Signa bei fast allen namhaften Instituten in Österreich Kredite offen. Das Gesamtexposure belaufe sich auf 2,2 Milliarden Euro.
In der Schweiz dürfte der Vermögensverwalter Julius Bär nicht unwesentlich betroffen sein. Die Schweizer Privatbank legte am Montag ein massives Exposure im Immobilienbereich offen, das jüngst deutliche Wertberichtigungen nötig machte. Die größte Einzelposition innerhalb des insgesamt 1,5 Milliarden Franken schweren Private-Debt-Kreditbuchs belaufe sich auf 606 Millionen Franken (628,6 Millionen Euro) und umfasse drei Kredite an verschiedene Einheiten innerhalb eines „europäischen Konglomerats“, so das Unternehmen. Einem Insider zufolge soll es sich um die Signa handeln. Die Kredite sind den Angaben der Bank zufolge durch mehrere Pakete von Sicherheiten in Verbindung mit Gewerbeimmobilien und Luxuseinzelhandel besichert.
Unklare Rolle des Sanierers
Plötzlich unklar ist mittlerweile auch die Rolle von Arndt Geiwitz. Er wurde von René Benko als „Sanierer“ an Bord geholt. Laut Signa hat Gewitz auch den Sitz des Konzernbeirats übernommen. So ist es auch auf der – wieder verfügbaren – Homepage des Konzerns nachzulesen. Laut Informationen von APA oder „Lebensmittel Zeitung“ sei Geiwitz indes „nur“ als Signa-Berater tätig. Der Fachmann hat bisher weder den Vorsitz des Signa-Beirats noch des -Komitees übernommen. Erst wenn die Finanzierung kommt, nach der fieberhaft gesucht wird, würde Geiwitz tatsächlich den Vorsitz übernehmen.
Übrigens: Eine Lösung scheint in Sachen Elbtower in Sicht. Beim gigantischen Bauprojekt in Hamburg stehen seit Wochen die Arbeiten still. Wie das deutsche „Handelsblatt“ am Wochenende berichtete, könnte der Hamburger Milliardär und Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne das Projekt von der Signa übernehmen. Eine Annäherung der beiden Geschäftspartner gab es ja schon seit Längerem. Seit dem vergangenen Jahr ist Kühne mit zehn Prozent an der Immobilienbeteiligungsfirma Signa Prime Selection beteiligt und gilt dort als zweitgrößter Anteilseigner. Und der Signa Development nahm Kühne das Büroprojekt Beam in Berlin ab.