Chaostage beim wichtigsten Start-up der Welt: Die Entwicklerfirma hinter dem populären Chatbot ChatGPT hat ihren Chef vor die Tür gesetzt, wollte ihn nach wenigen Tagen wieder zurückholen – und steht jetzt mit leeren Händen da. Sam Altman und OpenAI-Mitgründer Greg Brockman arbeiten fortan für Microsoft. Das machte Microsoft-Boss Satya Nadella, ein ausgewiesener Unterstützer Altmans, per Eintrag auf der Plattform X (vormals Twitter) klar. Altman selbst kommentierte den Coup mit einem schlichten „The mission continues“.

Zugleich droht OpenAI ein wahrer Massenexodus. Die Journalistin Kara Swisher schreibt davon, dass 505 der 700 Angestellten die Firma verlassen wollen. Sie zitiert aus einem Brief, der mit Kritik am Verwaltungsrat nicht spart. Die Abgänge von Altman und Brockman würden die Arbeit der Mitarbeiter „gefährden“ und ihre Mission „untergraben“. Das „Benehmen“ des Boards würde klarmachen, dass „man nicht die Kompetenz hat, OpenAI zu überwachen“. Deswegen wolle die Belegschaft Konsequenzen ziehen. Und zwar würden all jene, die den Brief unterzeichneten, zu Microsoft wechseln. Einziger Ausweg für die OpenAI-Führung: Ein völliger Rückzug des aktuellen Verwaltungsrates.

Zunächst war man „optimistisch“

Dabei hatte zunächst viel auf ein Comeback des beliebten CEO bei OpenAI hingewiesen. Strategiechef Jason Kwon schrieb etwa in einem E-Mail an die Mitarbeiter in der Nacht zum Sonntag, man sei „optimistisch“, dass es zu einer solchen Lösung kommen könnte, berichtete der Branchendienst „The Information“. Der Verwaltungsrat von OpenAI hatte Altman am Freitag überraschend das Vertrauen entzogen. Es hieß, er sei in seiner Kommunikation mit dem Aufsichtsgremium nicht aufrichtig gewesen. Der 38-jährige Altman war das Gesicht von OpenAI – und im weiteren Sinne auch des Booms bei Künstlicher Intelligenz.

Medienberichten zufolge ist der Hintergrund des Rauswurfs ein Richtungsstreit: Ein Teil der Führungsriege bei OpenAI sei der Ansicht gewesen, dass Altman die KI-Software zu schnell entwickeln lasse und mit einem zu kommerziellen Ansatz auf den Markt bringen wolle. Sie hätten die Mehrheit des Verwaltungsrats auf ihre Seite gebracht. Den Chefposten übernahm kommissarisch Technologiechefin Mira Murati. Jetzt soll der ehemalige Twitch-CEO Emmett Shear an der Spitze von OpenAI folgen.

Tritt womöglich der aktuelle Verwaltungsrat komplett ab?

Der Chatbot ChatGPT kann Sätze auf dem sprachlichen Niveau eines Menschen formulieren. Seine Veröffentlichung vor rund einem Jahr löste einen KI-Hype aus. OpenAI wurde damit zu einem Vorreiter bei der Technologie. Microsoft ging einen milliardenschweren Pakt mit der Firma ein, um deren Technologie in Produkte des Konzerns zu bringen. Andere Tech-Schwergewichte wie Google, Amazon und der Facebook-Konzern Meta stellten Konkurrenzsoftware vor. Der Finanzdienst Bloomberg und das „Wall Street Journal“ berichteten am Samstag, dass Geldgeber von OpenAI wie Microsoft, Thrive Capital und Tiger Global den Verwaltungsrat bedrängten, Altman wieder zurückzubringen. Auch ein Abtreten des aktuellen Verwaltungsrats stand im Raum.

Die renommierte Technologiejournalistin Kara Swisher schrieb, Auslöser seien Differenzen zwischen zwei Lagern von OpenAI gewesen – und zwar zwischen dem gewinnorientierten und dem Non-Profit-Flügel. OpenAI war 2015 von Altman und unter anderem auch Tesla-Chef Elon Musk als ein nicht auf Gewinn ausgerichtetes Start-up gegründet worden, das KI erforschen sollte. Mit der Zeit – und einer Milliardeninvestition von Microsoft – wurde OpenAI jedoch immer mehr zu einem profitorientierten Unternehmen. Unter anderem Musk kritisierte das immer wieder.

Ein „Umsturz“?

Schon die offizielle Mitteilung enthielt zwischen den Zeilen einen Hinweis auf solche Spannungen. Darin wurde betont, dass OpenAI für eine Mission aufgebaut worden sei: „um sicherzustellen, dass allgemeine Künstliche Intelligenz der gesamten Menschheit zugutekommt“. Diesem Ziel sei man weiter verpflichtet.

Einige Vertraute Altmans bei dem Unternehmen sprachen von einem „Umsturz“. Swishers Quellen zufolge erfuhr Altman vom Beschluss des Verwaltungsrats nur 30 Minuten vor Veröffentlichung der Mitteilung.

Ein Initiator des Vorgehens gegen Altman war nach Informationen Swishers und des ebenfalls gut vernetzten Branchendienstes „The Information“ Chefwissenschaftler Ilya Sutskever – ein weiterer Mitgründer von OpenAI. Bloomberg zufolge gab es Meinungsverschiedenheiten darüber, wie schnell die KI-Software entwickelt werden sollte, wie man sie vermarktet und wie man Risiken minimiert. Auch hätten Versuche Altmans, Geld von Investoren für die Entwicklung eines eigenen KI-Chips zu sammeln, für Streit gesorgt.