Die diesjährigen Kollektivvertragsverhandlungen bergen viel Zündstoff. Während bei den Metallern gestreikt wird, demonstrierten am Dienstag gut 1500 Handelsbeschäftigte in Wien und Salzburg für mehr Gehalt. Nach nur vier Stunden haben am heutigen Donnerstag die Sozialpartner ihre Verhandlungen über einen neuen Gehaltsabschluss für über 430.000 Handelsangestellte abgebrochen und auf den 28. November vertagt. Arbeitgeber-Vertreter und Handelsobmann Rainer Trefelik beklagte, „dass die Gewerkschaft heute absolut nicht bereit war, ernsthaft über unser Angebot zu diskutieren“. Stattdessen habe sie ihre Forderung „sogar noch erhöht“, so Trefelik im Anschluss der Gesprächsrunde laut einer Aussendung.

Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA, Helga Fichtinger, erklärte dazu: „Das Angebot der Arbeitgeber von einer Gehaltserhöhung von nur 5 Prozent entspricht bei weitem nicht den Erwartungen der Beschäftigten und liegt weit unter der rollierenden Inflation von 9,2 Prozent. Es ist nicht seriös und irreführend, abermals Einmalzahlungen in eine prozentuelle Erhöhung einzurechnen, weil diese keine dauerhafte Wirkung haben. Wir bedauern es, dass die Arbeitgeber nicht auf unseren Vorschlag einer sozialen Staffelung mit einer stärkeren Anhebung der unteren Gehälter oder einer Kombination von Freizeittagen und Geld eingegangen sind.“  Man werde nun die unterbrochenen Betriebsversammlungen wieder aufnehmen.

Video: Streit um den Metaller-KV

Die Wirtschaftskammer hat ihr Angebot erst in der heutigen dritten Runde vorgelegt. Sie bot unabhängig von der Gehaltsstufe ab 2024 ein Plus von fünf Prozent an und zusätzlich eine Einmalzahlung von 800 Euro. Die „Teuerungsprämie“ sei abgabenfrei, wodurch die Beschäftigten mehr Nettoeinkommen bekommen würden. Die Gewerkschaft ist mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von elf Prozent in den Ring gestiegen und lehnte Einmalzahlungen im Vorfeld stets ab.

Laut Berechnungen der Händler entspricht das Angebot beim Einstiegsgehalt einem Plus von 11,13 Prozent. In höheren Gehaltskategorien (2500 bis 3000 Euro Bruttogehalt pro Monat) würde das Plus ab nächstem Jahr 8,79 Prozent bzw. 8,16 Prozent betragen.

Abschlüsse über der Teuerungsrate notwendig

Während die Preise im Schnitt seit 2016 um 30,7 Prozent erhöht wurden, seien die Löhne durchschnittlich nur um 24,7 Prozent gestiegen, im Handel um 22,6 Prozent, so Jakob Sturn, Ökonom am Momentum-Institut. „Damit den Beschäftigten ihr verfügbares Einkommen aufgrund der gestiegenen Preise nicht wegschmilzt, empfiehlt das Momentum-Institut, die Löhne zumindest um die rollierende Inflation anzupassen. Für einen Kaufkraftzuwachs braucht es Abschlüsse über der Teuerungsrate“, heißt es vom gewerkschaftsnahen Institut.

„Mehr ist nicht drinnen. (...) Wir hoffen, dass auch die Gewerkschaft die akute Gefahr für die Beschäftigung im Handel erkennt und verantwortungsvoll handelt“, kommentierte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will das Angebot der Arbeitgeber. Weitere Kampfmaßnahmen hätten einen Lose-lose-Effekt, da durch weitere Beeinträchtigung der Betriebe hin zum Weihnachtsgeschäft Umsätze abnehmen würden und unweigerlich in negativen Arbeitsplatzeffekten resultierten. Viele Handelsfirmen bewegten sich kostenseitig längst an der Klippe, so Will. Der Handelsverband vertritt als privater Interessenverband rund 4000 Mitglieder aus dem Handel, sitzt aber nicht am Verhandlungstisch.

„De facto haben wir seit drei Jahren eine Krise im Handel“

Der Handel verweist auf rückläufige Umsätze, sinkende Beschäftigungszahlen und einen Anstieg der Pleiten. „Wir haben eine katastrophale Entwicklung im Handel, es zieht sich quer durch, auch wenn es gewisse Unterschiede nach Handelsbranchen gibt“, sagte Arbeitgeber-Chefverhandler und Handelsobmann Rainer Trefelik bei einem Pressegespräch. „De facto haben wir seit drei Jahren eine Krise im Handel.“

Im ersten Halbjahr habe es im Handel 483 Insolvenzen gegeben, womit die Branche die Pleitenstatistik anführte, räumte Trefelik ein. Namhafte Händler wie Kika/Leiner, Forstinger, Gerry Weber, Reno oder die Sport-2000-Genossenschaft Zentrasport mussten heuer bereits Insolvenz anmelden. Von Jänner bis September verzeichnete der Einzelhandel in Österreich gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres ein reales Minus von 3,5 Prozent, gab die Statistik Austria kürzlich bekannt. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 100 verringert – „und wir befürchten, dass das noch nicht das Ende dieses Trends ist“, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands.