Die Europäische Zentralbank (EZB) kann sich aus Sicht des deutschen Bundesbank-Präsidenten Joachim Nagel trotz einer deutlich zurückweichenden Inflation noch nicht entspannt zurücklehnen. „Unsere straffe Geldpolitik wirkt, aber wir dürfen nicht zu früh nachlassen“, sagte Nagel am Dienstag in Berlin laut Redetext. Die Leitzinsen müssten vielmehr ausreichend lange auf einem ausreichend hohen Niveau bleiben. Weiters meinte der Banker: Ob die Zinsen schon ihren Höhepunkt erreicht haben, „lässt sich noch nicht sagen: Wir bleiben strikt datenabhängig“.
Aus Sicht von Nagel gibt es verschiedene Risiken, die die Inflation wieder anheizen könnten. „So könnten die geopolitischen Spannungen in Nahost die Energiepreise nach oben treiben und die mittelfristigen Aussichten unsicherer machen“, warnte er. Der geldpolitische Kurs müsse sicherstellen, dass die Inflation auf die Notenbankzielmarke von zwei Prozent zurückkehre. „Die Inflation hat sich als hartnäckig erwiesen und ist noch nicht besiegt.“ Erfreulicherweise sei die Inflationsrate gegenüber ihrem Höchststand vor einem Jahr inzwischen deutlich gesunken. „Aber: Sie ist eben immer noch zu hoch“, so Nagel.
Die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft war zuletzt kräftig gesunken. Im Oktober lag die Inflation bei 2,9 Prozent nach 4,3 Prozent im September. Noch im Herbst 2022 hatte sie zeitweise bei über zehn Prozent gelegen. Die EZB hatte vergangenen Donnerstag auf ihrer Zinssitzung in Athen nach zehn Zinsanhebungen in Folge eine Pause eingelegt. Sie beließ den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank bekommen, weiter bei 4,00 Prozent – das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.
Griechischer Notenbankchef: Zinssenkungen ab Mitte 2024 möglich
Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras hält angesichts der immer stärker fallenden Inflation erste Zinssenkungen der EZB bereits ab Mitte des kommenden Jahres für möglich. Er würde über eine Zinssenkung nachdenken, wenn die Inflation Mitte 2024 dauerhaft und nachhaltig die Schwelle von drei Prozent unterschreitet, sagte er dem „Handelsblatt“ in einem am Dienstag veröffentlichten Interview.