Im Kampf gegen die Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) seit Sommer 2022 die Zinsen inzwischen bereits zehnmal in Folge angehoben – zuletzt im September um 0,25 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent. Bei ihrer auswärtigen Ratssitzung in Athen wurde der Leitzins nun nicht angetastet. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bleibt auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent.
Damit war im Vorfeld bereits gerechnet worden, da sich die Inflation in der Euro-Zone zuletzt rückläufig entwickelt hat und die geopolitischen Unsicherheiten noch einmal zugenommen haben. Es wird nun überwiegend damit gerechnet, dass die EZB die Zinsen nun länger auf dem aktuellen Niveau belassen dürfte. Die EZB werde weiter nach der Datenlage entscheiden, sagte Präsidentin Christine Lagarde. Eine Diskussion über Zinssenkungen sei aber „völlig verfrüht“.
Die Sorgen um die Konjunktur waren zuletzt gewachsen. „Die Wirtschaft im Euroraum bleibt schwach“, sagte Lagarde. Die EZB rechnete zuletzt mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7 Prozent in diesem Jahr. Im Juli war noch ein Plus von 0,9 Prozent vorhergesagt worden. Europas größte Volkswirtschaft Deutschland wird nach Einschätzung der Bundesregierung und vieler Ökonomen in diesem Jahr sogar leicht schrumpfen. Auch in Österreich wird eine „milde Rezession“ erwartet, wie zuletzt Wifo und IHS prognostizierten.
Meinung
„So lange wie erforderlich“
„Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden“, erklärten die Eurowächter. Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus werde der EZB-Rat auch künftig einen „datengestützten Ansatz“ verfolgen. Damit hat die Euro-Notenbank auf ihrem im Sommer 2022 eingeleiteten Straffungskurs nun voraussichtlich bis auf Weiteres den Zinshöhepunkt erreicht. Die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft war zuletzt deutlich zurückgegangen. Im September sank sie auf 4,3 Prozent von 5,2 Prozent im August. Noch im Herbst 2022 hatte die Rate zeitweise über zehn Prozent gelegen. Die Teuerung liegt aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie die Zielmarke der Euro-Notenbank von zwei Prozent.
Konjunkturelle Talfahrt beschleunigt
Bei der Entscheidung der EZB dürfte auch die eingetrübte Konjunktur im Euroraum eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Wirtschaft hatte einer Umfrage zufolge zuletzt ihre Talfahrt beschleunigt. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Service-Sektor zusammen – sank im Oktober um 0,7 auf 46,5 Zähler. Das ist der tiefste Stand seit rund drei Jahren. Zudem dürfte die Wirtschaft in Deutschland im Sommerquartal laut Bundesbank geschrumpft sein. Geht die Wirtschaftsleistung im laufenden vierten Quartal abermals zurück, wird von einer „technischen Rezession“ gesprochen.
„Dennoch bleiben Inflationsgefahren bestehen“
Ökonomen gehen zwar davon aus, dass sich der Abwärtstrend bei der Inflation fortsetzt und sich weiter hin zum Zielwert von zwei Prozent bewegt. Dafür spricht auch die schwächelnde Wirtschaft in der Eurozone. Insbesondere in der Bauwirtschaft und der Industrie zeigen sich bereits deutliche Bremsspuren. „Dennoch bleiben Inflationsgefahren bestehen“, schreibt Ulrike Karstens, Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS. „Der jüngste Anstieg der Energiepreise, aber auch die Lohnentwicklung und ihre Auswirkungen vor allem auf die Dienstleistungspreise dürften in diesem Zusammenhang Thema sein.“