Fast neun Wochen sind es noch bis Jahresende oder 62 Tage, die Frauen in Österreich nun ohne Gehalt arbeiten werden. Am 31. Oktober, dem diesjährigen Equal Pay Day, haben Männer das Einkommen erreicht, für das Frauen bis Jahresende arbeiten müssen.
Das ist der symbolische Gehalt des Equal Pay Days: Er soll aufzeigen, wie weit die Löhne und Gehälter für Männer und Frauen auseinanderliegen. Die Entgeltdifferenz zwischen Männern und Frauen liegt laut Daten des Bundeskanzleramts bei aktuell 16,9 Prozent, was eben 62 Kalendertagen entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich diese Differenz zwar verbessert – aber nur um einen Tag.
Im Vergleich zu einem Mann verdient eine in Vollzeit beschäftigte Frau 2023 in Österreich im Schnitt 8340 Euro brutto weniger. Einige Gründe für diesen sehr hohen unbereinigten Gender-Pay-Gap sind bekannt. 22,4 Prozent der Frauen arbeiten im Niedriglohnsektor, aber nur 9,3 Prozent aller Männer, weiß Martina Ernst von Salary Negotiations, einem Beratungsunternehmen zum Thema „Gehalt verhandeln“. 50,5 Prozent arbeiten in Teilzeit, aber nur elf Prozent der Männer. Frauen unterbrechen oder beenden ihre Karrieren oft für die Familie. Eine häufige Kritik am Equal Pay Day: Da würden Äpfel mit Birnen verglichen, man müsse Männer und Frauen in ähnlicher Position betrachten. Doch selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt noch eine Gehaltslücke von 6000 Euro, zitiert Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer der digitalen Recruiting-Plattform Stepstone in Österreich, aus dem aktuellen Gehaltsreport.
In den ersten fünf Jahren der Berufstätigkeit liegt der Gender Pay Gap bei „nur“ zehn Prozent. Im Laufe des Berufslebens geht die Gehaltsschere immer weiter auf. Unter Beschäftigten mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung liegt der Gehaltsunterschied bei 17,4 Prozent. Am höchsten ist der Gender-Pay-Gap zwischen Akademikerinnen und Akademikern. Um knapp ein Viertel weniger Gehalt verdienen Absolventinnen von Fachhochschulen und Universitäten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Weibliche Führungskräfte verdienen 19 Prozent weniger im Jahr als männliche Führungskräfte.
Für ihre empirische Erforschung des Equal Pay Days bekam die amerikanische Wissenschaftlerin Claudia Goldin heuer den Wirtschaftsnobelpreis. Ein Zeichen, dass das Thema in der Wissenschaft angekommen ist. Zwar zeigen Studien, dass sogar Frauen Frauen weniger Gehalt zahlen würden. Goldin sieht jedoch nicht Diskriminierung als Hauptgrund für die Gehaltsunterschiede. Den „wahren Grund“ sieht sie darin, dass besonders solche Jobs meist gut bezahlt werden, bei denen erwartet werde, dass man einmal länger im Büro bleibt oder am Abend oder Wochenende noch arbeitet. Arbeitgeber seien bereit, für solche Tätigkeiten weitaus mehr Geld zu bezahlen als für Jobs, die sich in einem verlässlichen Nine-to-five-Rhythmus oder in Teilzeit erledigen lassen. Das Problem ist, so Goldin, dass Frauen sich in den meisten Partnerschaften stärker als der Mann für die Familie verantwortlich fühlen. Deshalb wählen sie eher die Jobs, die es ermöglichen, die Kinder von der Schule abzuholen oder zu Hause zu bleiben, wenn das Kind krank ist. Während Männer ohne zu zögern Jobs übernehmen, bei denen das Private hintanstehen muss. Dieses unterschiedliche Verhalten zeigt sich, wenn ein Paar Kinder bekommt. Vorher existiert der Gender-Pay-Gap praktisch nicht – auch das gehört zu Goldins Forschungsergebnissen.
Zeit für Veränderung
Wie lässt sich das ändern? Wohl nur durch andere Entscheidungen der Paare und durch eine andere Organisation jener Jobs, die viel Flexibilität verlangen. Eine große Aufgabe also. Das Land Vorarlberg ist beim Einkommensunterschied zwischen Mann und Frau in Österreich Schlusslicht und stößt aktuell mit einer Kampagne einen Nachdenkprozess übers Klischee-Denken an. „Hemden bügeln“, „Geschäftsführung“, „Fußballprofi“ oder „In Karenz gehen“ heißt es auf Plakaten, Bierdeckeln und Flyern, gefolgt von der Frage „Mann oder Frau?“.
Lohntransparenzgesetz gefordert
Die Gewerkschaft fordert von der Bundesregierung unter anderem „ein Lohntransparenzgesetz, Einkommensberichte ab 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Sanktionen für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen“, berichten die ÖGB-Landesfrauenvorsitzende von Kärnten, Silvia Igumnov und die ÖGB-Landesfrauenvorsitzende der Steiermark, Helga Ahrer. „Und wir müssen es als Gesellschaft zuwege bringen, dass die unbezahlte Arbeit gerechter zwischen Mann und Frau verteilt ist.“ Ihr Ziel: ein Equal Pay Day, der am 31. Dezember stattfindet. Aber das wird noch dauern.