„Im vierten Quartal ist meiner Einschätzung nach eine durchaus dramatische Zunahme von Insolvenzen in der steirischen Bauwirtschaft zu befürchten“, sagt Franz Blantz. Der Leiter der Geschäftsstelle Graz und des Insolvenzbereichs beim Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) verweist auch auf den bisherigen Jahresverlauf. In den ersten drei Quartalen sind die Insolvenzfälle auf 318 eröffnete Verfahren angestiegen. Das Plus von 25,69 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet nach Kärnten (plus 38,67 Prozent) den höchsten Anstieg im Österreich-Vergleich. „Die Eröffnungen liegen damit auch über dem Vor-Corona-Niveau“, so Blantz.
Die am stärksten betroffenen Branchen sind die Bauwirtschaft (73 eröffnete Insolvenzen), gefolgt vom Handel (69) und der Gastronomie (59). „In unserer Halbjahresstatistik haben wir aufgezeigt, dass im ersten Halbjahr 2023 der Handel massiv von Insolvenzen betroffen war. Zunehmend sind nun in der Baubranche Insolvenzen zu verzeichnen“, sagt Blantz. Das sei – mit Blick auf die genannten Insolvenzursachen – auf gestiegene Kosten und Zinsen sowie die rückläufige Auftragslage und den Abwärtstrend am Immobilienmarkt, auch infolge der verschärften Kreditregeln durch die KIM-Verordnung, wie Blantz ausführt. „Dies führte dazu, dass die Bauinsolvenzen nun in der Steiermark jene im Handel übertroffen haben.“ Und auch die Erwartungen für das Restjahr und für den Anfang des nächsten Jahres seien hinsichtlich des Bausektors wenig erfreulich.
„Drastische Zunahme der Abweisungsbeschlüsse“
Als „besorgniserregend“ bezeichnet Blantz die „weiterhin drastische Zunahme der Abweisungsbeschlüsse von 130 auf 167 in den ersten neun Monaten des heurigen Jahres“. Diese Entwicklung zeige auch, „dass bei zahlreichen, durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen am Leben erhaltenen Unternehmen nicht einmal freies Vermögen von 4000 Euro vorhanden ist, um die Kosten für ein formelles Insolvenzverfahren aufbringen zu können“. Durch den enormen Anstieg der Abweisungsbeschlüsse seien auch die gesamten Firmeninsolvenzen in der Steiermark von 383 auf 485 Fälle und somit um 26,63 Prozent gestiegen.
Fast 20 Privatkonkurse wöchentlich
Ein letztlich trügerischer Rückgang wird vom AKV im Zusammenhang mit den Privatinsolvenzen aufgezeigt. Zwar liegen die 762 in der Steiermark eröffneten Privatkonkurse in den ersten drei Quartalen um 7,64 Prozent unter dem Vorjahreswert. Das vergangene Jahr sei hier aber auch ein „Rekordpleitenjahr“ gewesen, so Blantz. Auch heuer sind im bisherigen Jahresverlauf noch immer fast 20 Privatkonkurse pro Woche in der Steiermark eröffnet worden. 85 private Insolvenzverfahren wurden mangels Kostendeckung in den ersten Quartalen abgewiesen, ein Plus von 39,34 Prozent. Die Durchschnittsverschuldung hat in der Steiermark von 135.200 Euro im Vorjahreszeitraum auf 115.800 Euro abgenommen.
Das gilt aber nicht für alle Altersgruppen, was in der Statistik hervorsticht und von Blantz als alarmierend qualifiziert wird, ist der Umstand, dass die Durchschnittsverschuldung bei Schuldnern unter 24 Jahren bundesweit von 31.400 auf 53.100 Euro gestiegen ist. In der Steiermark entfielen von den 13 eröffneten Verfahren in diesem Alterssegment neun auf junge Frauen.
Der AKV hat im Zusammenhang mit jungen Schuldnerinnen und Schuldnern auch die Hauptinsolvenzursachen ergründet. Sie liegen demnach insbesondere im Konsumverhalten – vor allem im Zusammenhang mit E-Commerce. „Durch Ratenkäufe und Verzugsfolgen geht ein Überblick über die Finanzsituation verloren, sodass man sich relativ schnell in einer Schuldenfalle befindet“, betont Blantz.
Österreichweit wurden über alle Altersstufen hinweg in den ersten neun Monaten 6647 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, damit lag man um 7,07 Prozent über den Eröffnungen des Jahres 2022 (6208), jedoch liegen sie laut AKV noch weit unter den Werten der ersten drei Quartale der Jahre 2018 (7796) und 2019 (7184).