Erst vergangenen Freitag hat die Österreichische Nationalbank detailreich dargelegt, warum in vielen österreichischen Haushalten der Sparstift regiert. Die Inflation frisst sich durch unsere Geldpolster, eingekauft wird mit angezogener Handbremse. So lassen sich die Zahlen der Statistik Austria und Studien etwa des Wifo nicht wegdiskutieren. Im ersten Halbjahr musste der österreichische Handel ein inflationsbereinigtes Umsatzminus in der Höhe von 3,4 Prozent verdauen. In der zweiten Jahreshälfte läuft es kaum besser. Der Handelsverband erwartet aufgrund einer eigenen Studie in diesem Jahr für nahezu alle Warengruppen reale Rückgänge. Rainer Will, Chef des Interessenverbandes, sagt: „Insgesamt schrumpft die Nachfrage im Einzelhandel heuer signifikant um 3,9 Prozent. In manchen Handelssparten geht die Prognose sogar von einem inflationsbereinigten Rückgang von mehr als 10 Prozent aus.“ Speziell der Möbelhandel leidet, auch die Bereiche Haus und Garten und E-Geräte.

„Selbst im Modehandel, der ausgehend von einem katastrophalen Niveau etwas zulegen konnte, bleiben die Umsätze weiterhin klar unter jenen der Vor-Corona-Zeit“, ergänzt Harald Gutschi, Chef der Unito-Gruppe (Otto, Universal). 6400 Einzelhändler hätten im Jahr 2023 bereits aufhören müssen, legte der Handelsverband Anfang September eine tiefrote Zwischenbilanz. An der Kaufzurückhaltung allein liegt das freilich nicht, sondern auch an „gleichzeitig stark gestiegenen Kosten für Energie, Personal und Logistik“, so Gutschi.

Bei den Pleiten von Kika/Leiner, Forstinger, Gerry Weber, Reno oder der Sport-2000-Genossenschaft mögen auch Managementfehler eine Rolle gespielt haben. Dass nicht zuletzt der Online-Handel in einer Krise steckt, bekommt gerade die Signa Sports United von René Benko zu spüren. Die SSU hat ihren Sitz aber in Berlin.

Weniger Arbeit und mehr Geld? „Das wird nicht funktionieren“

In dieser aufgeladenen Melange, Kollektivvertragsverhandlungen für 430.000 Beschäftigte zu führen, wird nicht leicht. Gewerkschafterin Helga Fichtinger (GPA) wird morgen die Forderung an Rainer Trefelik, Handelsobmann in der Wirtschaftskammer, überreichen. Das Ziel sei, über der Inflation von 9,2 Prozent abzuschließen, erklärt Fichtinger. Außerdem will die Gewerkschaft über eine Arbeitszeitverkürzung verhandeln, während man Teilzeitkräften anbieten solle, die Stundenzahl zu erhöhen. Im Einzelhandel sind mehrere Tausend Stellen in Österreich unbesetzt. Handelsketten, insbesondere im Lebensmittelbereich, werben deshalb mit Gehältern über dem Kollektivvertrag.

Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel, und Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA, Helga Fichtinger
Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel, und Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA, Helga Fichtinger © (c) APA/MATTEO WITT (MATTEO WITT)

GPA-Verhandlerin Fichtinger weist den Wunsch der Arbeitgeber zurück, in den Verhandlungen Teuerungshilfen der Regierung einzurechnen. Eine KV-Öffnungsklausel für angeschlagene Unternehmen lehnt sie ebenfalls ab. Umgekehrt erteilt Trefelik dem Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten eine Absage. „Weniger Arbeit und mehr Geld – das wird nicht funktionieren. Die Situation ist extrem schwierig, wir führen die KV-Verhandlungen auch mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten“, sagte Trefelik zum Radio Ö 1.

2022 einigte man sich nach fünf Runden und einer Streikdrohung. Heuer sind im November vier Verhandlungstermine vereinbart. Fichtinger: „Wir haben uns auch den Dezember eingeplant“, das Weihnachtsgeschäft könne wieder „sehr heiß werden“.

Metaller: Betriebsversammlungen und vorsorgliche Streikfreigabe

Den Konjunktiv im Zusammenhang mit „sehr heiß“ kann man beim Blick auf die Metaller-Lohnrunde mittlerweile endgültig streichen. Der Eskalationsgrad ist dort heuer schon weit fortgeschritten, vor allem seit der äußerst turbulenten dritten Verhandlungsrunde am Freitag. Zunächst setzten die Arbeitgeber die Verhandlungen aufgrund von anonymen Drohungen aus, verspätet liefen die Gespräche dann doch noch an, wurden von der Gewerkschaft aber rasch abgebrochen, weil die Arbeitgebervertreter ihr Angebot von 2,5 Prozent Lohnplus und 1050 Euro Einmalzahlung laut Arbeitnehmervertretern nicht nachgebessert haben. Sie fordern weiterhin ein Plus von 11,6 Prozent. Christian Knill, Obmann des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie, der auch eine Mäßigung im Ton einmahnt, warnt: „In etlichen Unternehmen werden bereits Berechnungen angestellt, wie viele Arbeitsplätze aufgrund der Gewerkschaftsforderungen gefährdet sind.“

Die Gewerkschaft, die von einer „Pflanzerei“ spricht, erhöht ab heute den Druck. Bis zum nächsten Termin am 2. November werden Betriebsversammlungen abgehalten. Man wolle dabei Beschlüsse für weitere Arbeitskampfmaßnahmen treffen. Eine Streikfreigabe des ÖGB liegt bereits vor.