Damit die Energiewende gelingen kann, muss Österreichs Energieinfrastruktur stark ausgebaut und angepasst werden – so der Tenor bei der 60. Fachtagung der Energietechnik. Als Richtschnur dafür gilt in der Branche der österreichische Netzinfrastrukturplan, dessen finale Fassung bis Ende des Jahres vorliegen soll. Im Lakeside Park in Klagenfurt wurde vom Österreichische Verband für Elektrotechnik (OVE) am Mittwoch eine rasche Konkretisierung gefordert. Leistbare, nachhaltige Energie sei ein wichtiger Standortfaktor für Industrie und Wirtschaft. Von Kelag-Vorstand Reinhard Draxler gab es Kritik an „Autarkie-Träume“ auf Gemeindeebene.

OVE-Präsident Kari Kapsch fordert von der Politik, den Energiemarkt mit den nach wie vor hohen Energiepreisen auf gesamteuropäisches Ebene in den Griff zu bekommen. Mit Umsetzungsverordnungen auf nationaler Ebene sollen klare Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Energiewende steckt fest

Gerhard Christiner, Vorstand der Austrian Power Grid (APG), nannte als Beispiel für die langwierige Umsetzung das gemeinsame Projekt mit der Voestalpine in Linz, wo in der Zentrale die alten Hochöfen schrittweise durch Elektrolichtbogenöfen ersetzt werden sollen. Nur steckt das Verfahren gerichtlich in der finalen Instanz fest. So sei die Energiewende nicht schaffbar.

Kapsch zweifelt hingegen, ob die für 2040 angepeilte CO₂-Neutralität Österreichs schaffbar ist: „Aus heutiger Sicht sind die Ziele nicht zu schaffen, aber wir rennen einen Marathon.“ Zusätzlich sei bei der Umsetzung der Energiewende der zunehmende Fachkräftemangel eine Herausforderung. Mit der im Oktober gestarteten Social-Media-Kampagne „Join the future“ werden Jugendliche gezielt in den sozialen Medien mit der Zukunftsbranche Elektrotechnik in Kontakt gebracht. Konkret fehlen in der Energiewirtschaft gerade 2000 Fachkräfte, hundert freie Stellen sind es alleine in Kärnten, die neun Arbeitssuchenden gegenüberstehen. Die Prognose für 2026: In der gesamten Branche dürften über 20.000 Fachkräfte, vor allem Elektrotechniker, fehlen.

Kelag-Vorstand Reinhard Draxler (rechts) bei der Pressekonferenz | Kelag-Vorstand Reinhard Draxler (rechts) bei der Pressekonferenz
Kelag-Vorstand Reinhard Draxler (rechts) bei der Pressekonferenz
| Kelag-Vorstand Reinhard Draxler (rechts) bei der Pressekonferenz © OVE/Fürthner

Keine Prognose von den Experten gab es zur Strompreisentwicklung, wobei von Kelag-Vorstand Draxler „leicht sinkende Preise“ beobachtet werden: „Es geht aber um seriöse Energiebeschaffung über Jahre.“ Sorgen würden ihm die extremen Preissprünge und die volatile Lage bereiten. „Autarkie-Träume“ in den Gemeinden würden ohne österreichweiten Ausbau der Netzinfrastruktur inklusive einer Speicherstrategie nur zu höheren Kosten führen. Kritik gab es auch an der auf politischer Ebene verpassten Möglichkeit, das Merit-Order-System anzupassen. Kapsch: „Dem liberalen Energiemarkt wurde mit den EU-Sanktionen geschadet. Es braucht Maßnahmen, um die derzeitige Situation, die wir jetzt schon seit zwei Jahren haben, zu verhindern.“ Als Beispiele nannte er etwa ein staatlich gestützter Gaspreis. In Südeuropa habe sich auch der Energiepreisdeckel bewährt, denn: „Die Inflationsraten sind dort niedriger als in Österreich.“

Fehlendes Tempo bei Netzausbau kostet

Da der Netzausbau nicht schnell genug geschieht, würden auch tagtäglich Kosten entstehen. APG-Vorstand Christiner bezifferte den Schaden durch die fehlenden Netzkapazitäten: „Im heurigen Jahr wird uns das in Summe rund 150 Millionen Euro kosten.“ Wenn sich zeige, dass das Netz am nächsten Tag zu schwach sein wird, muss nämlich aktiv eingegriffen werden. Die Mehrkosten ergeben sich etwa durch das kurzfristige Anwerfen von Gaskraftwerken.

„Der Erfolg der Energiewende entscheidet sich im Stromnetz“, betonte Christiner und fügte hinzu: „Neben dem Netzausbau bedarf es einer umfassenden Gesamtsystemplanung inklusive einer Speicherstrategie sowie einer gleichzeitig abgestimmten digitalen Transformation aller Akteure des Energiesystems. Damit schaffen wir genügend Kapazitäten und ein intelligentes digitales Gesamtsystem.“ Es müsse auch gelingen, volatiler erneuerbarer Energien, also vor allem PV-Strom von den Dächern, integrieren zu können. Daher müsse dem Ausbau der Netzinfrastruktur oberste Priorität eingeräumt und die schon lange in Diskussion stehenden Gesetze zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren endlich beschlossen werden.