Die erste KV-Runde in der privaten Sozialwirtschaft ist Dienstagabend nach acht Stunden erwartungsgemäß ergebnislos unterbrochen worden. Das Angebot der Arbeitgeberseite, 8,8 Prozent höhere Gehälter, wird von den Gewerkschaften GPA und vida als „unzureichend“ abgelehnt. Sie fordern 15 Prozent mehr bzw. mindestens 400 Euro – das wiederum lehnt der Dachverband SWÖ (Sozialwirtschaft Österreich) als „unrealisierbar“ ab.
Zu den Forderungen sagte Walter Marschitz, Geschäftsführer der SWÖ, am Mittwoch in einer Pressekonferenz: „Wir haben die Abgeltung der Inflation angeboten, obwohl es keineswegs in trockenen Tüchern ist, dass wir das von den Fördergebern zurückbekommen. Das machen andere Arbeitgeber nicht.“ Ablehnen müsse man aber auch die Gewerkschaftsforderung nach einer eigenen Kilometergeldregelung im Kollektivvertrag – neben dem amtlichen Kilometergeld. Ebenso für den Wunsch nach einer pauschalen Erhöhung der Zuschläge um 25 Prozent sieht Marschitz „keine Rechtfertigung“, verhandlungsbereit sei man aber bei Zuschlägen fürs Einspringen sowie bei höheren Urlaubsansprüchen. Ob der SWÖ beim Gehaltsangebot in Höhe von 8,8 Prozent noch nachlegen werde, ließ Marschitz offen. „Am Ende ist es immer ein Gesamtpaket.“ Am 15. und 27. November werde wieder verhandelt.
Pflegezuschuss: Kritik am Bund
Harsche Kritik übten die SWÖ-Vertreter indes am Bund und den Ländern, die für die Rahmenbedingungen in der privaten Sozialwirtschaft verantwortlich seien. Viele Einrichtungen hätten derzeit – im Oktober – noch keine fixen Finanzierungszusagen für das kommende Jahr. So sei auch noch nicht fix, ob der vor zwei Jahren eingeführte Pflegezuschuss nächstes Jahr weitergeführt werde; hier geht es um rund 300 Millionen Euro für die Branche. „Das ist unverantwortlich, dass die Politik noch nicht sagen kann, ob es das weiter gibt oder nicht“, kritisiert SWÖ-Präsident Erich Fenninger. In den KV-Verhandlungen sei dies zudem ein wichtiger Punkt, denn der SWÖ will den Pflegezuschuss in den KV aufnehmen. Vize-Vorsitzende Marion Ondricek: „Der Pflegezuschuss wurde aus Bundesmitteln finanziert und von Ländern verwaltet. Unsere gemeinsame Forderung lautet, dass dieser Zuschuss weiter ausbezahlt wird, und zwar für alle unbefristet und jährlich valorisiert, sodass er in den KV aufgenommen werden kann.“
Der SWÖ will außerdem mit „Mythen“ aufräumen, etwa, dass die Branche unattraktiv sei. „Es stimmt einfach nicht, dass uns Leute davonlaufen“, kontert Marschitz. Zwischen 2008 und 2022 sei die Beschäftigung in Österreich um 15 Prozent gewachsen, im Sozialbereich aber um 64 Prozent, in den Pflegeheimen sogar um 78 Prozent. Dennoch gebe es einen Personalmangel, bestätigt der SWÖ-Chef. Dies habe zwei Gründe – geburtenstarke Jahrgänge der 1930er haben nun erhöhten Pflegebedarf, andererseits gehen geburtenstarke Jahrgänge der 1960er nun nach und nach in Pension. Längst habe ein internationaler Wettlauf eingesetzt, um Personallücken mit Fachkräften aus dem Ausland zu besetzen. Fenninger: „Die Sozialwirtschaft ist ein dynamischer Wirtschaftsbereich und von Wachstum geprägt. Was uns allerdings nervt, sind die Rahmenbedingungen durch die öffentliche Hand, der zunehmende Druck auf Kolleginnen und Kollegen.“ Bereits vor 20 Jahren habe der SWÖ darauf aufmerksam gemacht, dass in der Pflege mehr Ausbildungsplätze benötigt werden.
Marschitz wehrt sich auch gegen Kritik, die Berufe in der Sozialwirtschaft seien schlecht bezahlt. „In den letzten Jahren gab es ähnliche Lohnsteigerungen wie bei den Metallern, wir schlossen über dem Handel ab. Heuer werden wir einen Mindestlohn von 2000 Euro erreichen. Dazu kommen der Pflegezuschuss und Nachtzuschläge.“
In einer Reaktion auf die Pressekonferenz erinnerte die Gewerkschaft GPA daran, dass die Einkommen der Sozialwirtschaft laut Berechnung der Sozialversicherung 22 Prozent unter dem Schnitt aller Wirtschaftsklassen liegen. Nach der KV-Runde am Dienstag betonten die Arbeitnehmer-Verhandlerinnen Eva Scherz und Michaela Guglberger: „Die Stimmung ist aufgeheizt, die enorme Teuerung macht allen schwer zu schaffen. Außerdem ist der Ärger über die ständigen Versuche der Arbeitgeber groß, den Personalmangel und die Probleme der Branche wegzudiskutieren.“