Der untergetauchte Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek (40) soll im Sommer 2018 mit Geheimdienstdokumenten geprotzt haben, die unter anderem die exakte Formel für das Nervengas Nowitschok enthalten hätten, das beim Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergei Skripal und dessen Tochter im britischen Salisbury zum Einsatz gekommen war. Die britische Regierung macht den russischen Geheimdienst für den Anschlag verantwortlich. Moskau weist die Vorwürfe zurück.
"Streng geheim"
Der aus Österreich stammende Manager habe die die Dokumente bei einem Treffen mit Londoner Börsenhändlern herumgezeigt. Marsalek wird in Medienberichten immer wieder nachgesagt, mit seinen internationalen Kontakten geprahlt zu haben. Drei der von Marsalek angepriesenen Papiere trugen der Financial Times zufolge das Siegel „OPCW streng geheim“. OPCW ist eine Organisation für das Verbot chemischer Waffen.
Laut einem Bericht der „Presse“ soll der untergetauchte ehemalige Marsalek geheimer Informant der FPÖ gewesen sein. Er soll über einen Mittelsmann vertrauliche Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und dem Innenministerium an die FPÖ weitergegeben haben.
Der deutsche Finanzdienstleister Wirecard hatte im Juni eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro auf asiatischen Treuhandkonten verbuchte Firmengelder sehr wahrscheinlich nicht existieren – und hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. Eine Schlüsselfigur ist neben Ex-Vorstandschef Markus Braun der früher im Wirecard-Vorstand für das Tagesgeschäft zuständige Manager Marsalek. Der wie Braun aus Österreich stammende Manager ist derzeit untergetaucht. Ermittelt wird nun gegen Braun, Marsalek und andere wegen Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation.
Zukünftig dürften das wohl aber nicht die einzigen Ermittlungen sein, die sich gegen Marsalek richten. Im Zuge der Untersuchungen zur „Ibiza-Affäre“ seien der „Presse“ zufolge Chats zwischen Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und seinem Informanten Florian S. gefunden worden. S. habe Gudenus „heikle Informationen“ sowohl aus dem Innenministerium als auch aus dem Amt für Verfassungsschutz zukommen lassen. S. soll seine Informationen wiederum von Marsalek erhalten haben.
Laut Angaben aus dem Innenministerium und dem BVT soll Marsalek zwar nicht offiziell als Informant gearbeitet haben, der „Presse“ zufolge müsse er jedoch Quellen im BVT und im Innenministerium gehabt haben. Den Vorwürfen werde nun im Zuge der BVT-Ermittlungen nachgegangen.
„Tatsache ist jedenfalls“, so die „Presse“, „dass Marsaleks Informationen das Misstrauen der FPÖ gegen die ÖVP schürten. Tatsache ist auch, dass dieses Misstrauen zu der engen Kooperation von Ex-FPÖ-Innenminister Herbert Kickls Kabinett mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und schließlich zur Hausdurchsuchung im BVT inklusive internationalem Skandal geführt hat.“
"Das Normalste der Welt"
Als Gegenleistung soll Marsalek von Gudenus etwa um einen Termin mit OMV-Chef Rainer Seele gebeten haben. Tatsächlich habe es aber keine Gegenleistungen gegeben, so Gudenus gegenüber der „Presse“. Als Politiker Informationen aus verschiedensten Bereichen zu erhalten sei „das Normalste der Welt“.
Auch der Mittelsmann S. scheint einige interessante biografische Details aufzuweisen. So ist er wie auf der Website ersichtlich nicht nur der Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, sondern soll laut dem „Presse“-Bericht auch eine Firma mit Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser (Russia GmbH) gehabt haben.
Die „Presse“ schreibt: „Längst gilt er als Türöffner für die FPÖ nach Russland. Und umgekehrt vernetzt er Russen mit heimischen Politikern.“ In den Chats mit Gudenus sei über russische Geschäftsinteressen geschrieben worden, auch der Name des Mannes von Ex-Außenministerin Karin Kneissl sei von S. als Kontakt genannt worden. Ein Thema sei etwa auch der Verkauf des burgenländischen Mineralwasserabfüllers Güssinger gewesen.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Norbert Hofer: "Ich kenne ihn nicht"
FPÖ-Obmann Norbert Hofer wies in der "Zib2" (vom 9. Juli) die Vorwürfe zurück und erklärte, er kenne Marsalek nicht. Und ein Mitarbeiter des früheren Innenministers Herbert Kickl habe ihm versichert, dass es auch dort keinen Kontakt mit dem Mann gegeben habe. Kickl selbst habe er vorerst nicht erreicht, erläuterte Hofer.
Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat am Freitag einen Besuch Marsaleks während seiner Amtszeit bestätigt. Marsalek habe im Sommer 2018 in Anwesenheit von Beamten des Hauses einen Vorschlag im Bereich des Asylwesens präsentiert, sagt Kickl. Konkret sei es um die Bekämpfung illegaler Einwanderung gegangen. Kickl war laut eigener Angabe nicht dabei.
Indessen prüfen deutsche Ermittler bei Wirecard auch einen Geldwäscheverdacht. "Wir ermitteln wegen Geldwäscheverdachts gegen Verantwortliche des Unternehmens und gegen Unbekannt", sagte eine Sprecherin der Strafverfolgungsbehörde am Donnerstag.