Betritt man das knapp ein Hektar große Weidegebiet der Familie Gradwohl in Floing, ist die Aufregung groß. Laut schnatternd und wild flatternd kommen sie einem entgegen: die 80 Gänse von Claudia Gradwohl. Sie zählen ihre letzten Tage. In einem Monat ist Martini. Dann heißt es nicht nur in den Gasthäusern „Jetzt ist Gansl-Zeit“, sondern auch in den Küchen von Herr und Frau Österreicher.
Video von der Weide:
Rund eine halbe Million Gänse landen laut Statistik Austria österreichweit jährlich auf den Tellern. Rund 70 Prozent davon stammen allerdings aus dem Ausland. Dem entgegen steht der Verband österreichischer Weidegänse. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Mitgliedsbetriebe stetig an. In der Steiermark werden von 42 Bauern rund 8000 Weidegänse gezüchtet.
Ganslzeit in Floing
Mit den Weidegänsen hat sich auch Nebenerwerbslandwirtin Claudia Gradwohl vor 15 Jahren ein neues Standbein geschaffen. „Damals hat sich die Frage gestellt, ob und wie ich die Landwirtschaft meiner Eltern weiterführe“, erzählt die 41-Jährige. Zur Auswahl stand die Zucht von Schafen oder Gänsen. Die Wahl fiel auf Letzteres. 2009 holte sich die Pädagogin, die an der Volksschule Stubenberg unterrichtet, die ersten 50 Stück auf den Hof.
Während andere Bauern mit der Aufzucht im April starten, bekommt sie ihre „Gössel“ - so nennt man die kleinen Gänseküken - erst relativ spät, nämlich im Juni. Allerdings bewusst. „In den Sommerferien bin ich als Lehrerin flexibler und kann mich um die Gössel kümmern“, berichtet sie. Gerade die ersten Lebenswochen sind in der Aufzucht nämlich besonders intensiv.
Bereits einen Tag nach dem Schlüpfen kommen die Küken auf den Hof. In der Zeit ist Wärme das A und O. „Sie brauchen eine konstante Temperatur von 32 Grad Celsius und müssen unter die Wärmelampe“, erzählt Gradwohl.
Anfang November geht es auf die Schlachtbank
Nur wenige Tage später geht es in den „Babyauslauf“, also einen kleinen Bereich der Weide. Das schaut ungefähr so aus: Claudia Gradwohl treibt die winzigen Küken in den Freibereich vor den Stall. Währenddessen lässt sie die Gössel nicht aus den Augen und versucht sie in der Gruppe zusammenzuhalten. Das winzige Federvieh, ist begehrtes Futter von Raubvögeln.
In den darauffolgenden Monaten legen die Gänse ordentlich an Gewicht zu. Anfang November, wenn sie 3,5 bis 5 Kilogramm wiegen, geht es auf die Schlachtbank.
Und die ist vom Stall nur wenige Meter entfernt. Denn seit 2012 schlachtet Claudia Gradwohl auf ihrem Hof selbst. „Natürlich ist das eine Überwindung. Aber man weiß, welches Fleisch man isst, wie die Tiere aufgewachsen sind und dass sie ihr Leben auf der Weide verbracht haben“, erklärt Gradwohl.
Eine Börse für Gänse
Die Weidegans ist zwar teurer als die ausländische Mastgans, allerdings qualitativ hochwertiger: „Das Fleisch hat mehr Muskeln. Im Endeffekt bleibt dadurch mehr Gans in der Pfanne“, sagt Gradwohl
Nach dem Schlachten werden die Gänse so schnell wie möglich an die Kunden gebracht. Die Vorbestellungen laufen bereits. „Wir haben aber noch genug“, so die Züchterin. Und sollte dem nicht mehr so sein, dann gibt es ja noch die sogenannte Gänsebörse. „Hier melden sich Züchter, die noch Gänse haben und Kunden wissen dann, wo noch welche zu holen sind“, klärt Gradwohl auf.
Ganze Gans nicht ohne Ananas
Am häufigsten gegessen wird die ganze Gans als klassischer Braten. Dafür hat die Gänsebäuerin Tipps parat. „Pro Kilogramm braucht die Gans mindestens eine Stunde Bratzeit.“ Und: „Die Gans mit Ananas marinieren und eine Nacht gut durchziehen lassen.“ Durch das Enzym „Bromelain“ wird Eiweiß zersetzt und das Fleisch zart.