Es ist das Postkarten-Motiv Nummer eins: Schroffe Berge, klarer See, eine Kirche spiegelt sich im Wasser. Nein, Geheimtipps gibt es in Hallstatt keine mehr. Und doch versteckt sich am Waldbach im Echerntal ein Ort, der für Spannung sorgt – ein Kleinwasserkraftwerk. Der erste Aufschlag von Gerhard Breitenbaumer, der dieses Werk vor zehn Jahren umgesetzt hat. Als Geschäftsführer der Hallstatt Wasserkraft GmbH ist er stolz auf das, was sein Werk leistet: 4000 bis 5000 Haushalte, 22.000 Megawattstunden Strom pro Jahr.
Videoreportage: Kleinwasserkraftwerk Hallstatt
Während die einen unten im Tal unter der nächsten Hitzewelle ächzen, sprudelt hoch oben der Waldbach aus seinem Felsen. Das Auto von Gerhard Breitenbaumer rumpelt eine Forststraße entlang. Dorthin, wo das Wasser mit einer Fallhöhe von 330 Metern hinab rauscht. Eine Turbine wird später die Vorarbeit zur Stromversorgung leisten.
Ist Wasserkraft ökologisch?
Aus Sicht der Bundesforste ist das Kraftwerk ein Vorzeigemodell. Und ein Projekt, ganz im Sinne der klimapolitischen Stoßrichtung. Denn bereits in sieben Jahren soll Österreich seinen Strom nur noch aus erneuerbaren Quellen beziehen. Doch der große Knackpunkt bleibt ein scheinbar unlösbarer Konflikt: So schonend Energie aus Wasser für das Klima sein mag, so belastend bleibt sie für die Umwelt. Das sagt zum Beispiel Markus Ehrenpaar vom Naturschutzbund Österreich. Selbst Kleinwasserkraftwerke seien für ihn bereits "ökologische Katastrophen". Vor allem in Hinblick auf die Bauarbeiten: "Jede Handvoll Erdboden im Wald hat Milliarden an Organismen, die durch den Grabevorgang gestört werden", sagt er und zeigt auf moosbewachsenen Waldboden.
Hinzu käme: "Unsere Gewässer sind so krank wie noch nie." Kraftwerke würden Flüsse zu sehr regulieren und ihnen ihre natürliche Struktur nehmen. Was es etwa stattdessen bräuchte: Verzweigungen, wo Kiesbänke und Auenwälder entstehen können.
Kritik an "Symptombekämpfung"
Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, gibt es in der Theorie für Wasserkraftwerke ab einer Leistung von zehn Megawatt mehrstufige Prüfverfahren – sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfungen. Die Krux: Seit der Jahrtausendwende wurden rund 97 Prozent der UVP-Verfahren bewilligt. Für Markus Ehrenpaar ein Zeichen dafür, dass die Prüfung nicht streng genug sei. Daran gekoppelte Renaturierungsmaßnahmen bezeichnet er als "Symptombekämpfung".
Ein Argument, das Gerhard Breitenbaumer für sein Kraftwerk nicht gelten lässt. Der Standort sei von Natur aus besonders geeignet: "Wir haben eine hohe Wassermenge und ein sehr hohes Gefälle – optimale Bedingungen also." Deswegen könne man dem Bach auch weniger Wasser entnehmen. Das Ziel sei immer gewesen, Fließgewässer und Landschaftsbild weitestgehend zu belassen.
Davon, auch den letzten Alpenbach zu verbauen, hält Breitenbaumer allerdings wenig. "Wasserkraftwerk ist nicht gleich Wasserkraftwerk. Jedes Projekt muss individuell betrachtet werden", räumt er ein. Projekte scheitern für ihn etwa dann, wenn hochinteressante Arten angesiedelt sind oder der Boden keine Stabilität garantiert. Dennoch bleibt Breitenbaumer optimistisch: "Ziel ist es, weitere sinnvolle Standorte zu finden."
Ausbaupotential der Wasserkraft gering
Doch viel Luft nachgibt es nicht mehr. In Österreich stehen in Summe rund 4000 Kleinwasserkraftwerke – umgerechnet auf rund 100.000 Kilometer Fließgewässer ist der Ausbaugrad somit bereits hoch. Für Markus Ehrenpaar sei damit die Grenze bereits weit überschritten. Österreich hätte seine Hausaufgaben diesbezüglich bereits gemacht. Die Baustelle verortet er anderswo: "Bevor nicht jedes Dach in Österreich von der Regierung eine kostenlose Photovoltaikanlage bekommt, brauchen wir keine Wasserkraft." Auch ohne eklatante Stromsparmaßnahmen werde es nicht gehen.
Ähnlich sieht das Klimaökonom Karl Steininger von der Uni Graz: "Wir können nicht unbegrenzt erneuerbare Energie schaffen." Breitenbaumer hingegen hält weiterhin am Potenzial der Wasserkraft fest. Er meint: "Jeder Beitrag zur Stromgewinnung, auch wenn er noch so klein ist, ist wichtig."
Erneuerbare Energie für alle – doch der Teufel steckt im Detail. Nicht nur wenn es um den Schutz der Umwelt geht. Bürokratie steht der Energiewende im Weg. Hallstatt bleibt nur die Wasserkraft. Der Ort liegt zwar auf der Sonnenseite, aber Photovoltaikanlagen im großen Stil wird es dort nicht geben. Am politischen Willen scheitert es nicht, wie Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ) betont. Der Denkmalschutz gibt strenge Regeln vor – als Weltkulturerbe lebe der Ort von der Draufsicht, heißt es. Bis sich Gesetze ändern, wird also noch viel Wasser den Berg hinab – und durch die Turbine fließen.
Diese Recherche wurde im Rahmen der Klimajournalismus-Summerschool des Forums Journalismus und Medien Wien (fjum) ermöglicht.